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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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hinaufg’schaut, und ganz oben war das Fenster offen. Dann bin ich hinein ins Haus und hab die Polizei gerufen.»
    «Wie spät war es da?»
    «Es war ungefähr vier.»
    «Und dann?», fragte Laura.
    «Was und dann?»
    «Was passierte, nachdem Sie die Polizei gerufen haben? Sind Sie wieder raus ins Treppenhaus oder in den Hinterhof? Haben Sie bei Nachbarn geklingelt?»
    Anna-Maria Burger schluckte, fasste nach einem Glas Wasser, das neben ihrem Lehnstuhl auf einem kleinen Tischchen stand. Sie trank fast gierig, atmete tief ein, ehe sie antwortete.
    «Die Nachbarn sind in Urlaub. Die Herzbergs. Sonst sind fast alles Büros. Und die Leut im vierten Stock kenn ich kaum. Die grüßen nicht amal, wenn ich sie auf der Treppe treff. Sind so Juppies … so nennt man die doch, oder?»
    Laura zuckte die Achseln. «Haben Sie etwas gehört oder gesehen im Treppenhaus, Frau Burger?»
    Die alte Frau schloss kurz die Augen, kniff die Lippen zusammen, hustete. Ihre Worte kamen jetzt mühsam. «Könnt sein … Aber ich kann es … nicht sicher …», sie versuchte ruhig zu atmen.
    «Lassen Sie sich Zeit, Frau Burger. Ich habe es nicht eilig.» Laura blickte erschrocken auf diesen Kampf um Sauerstoff, der im Körper der kleinen Frau tobte. Erinnerte sich plötzlich an den alten Nachbarn, der im Parterre ihres Hauses einen Zeitschriftenladen betrieb und ebenfalls an Angina Pectoris litt. Was hatte er immer gesagt? «Ich bin schon hundertmal gestorben, Frau Kommissarin. Man gewöhnt sich allmählich daran!» Und dann hatte er ihr ein Sträußchen Maiglöckchen geschenkt, weil er das Leben liebte und dankbar dafür war, dass er die hundert Tode überlebt hatte.
    «Geht schon wieder!» Anna-Maria Burger versuchte ein Lächeln. «Also, des war so. Ich hab gemeint, dass jemand heruntergekommen ist. Von oben. Da war ich aber in der Wohnung und hab gerade mit der Polizei geredet. Mei Hund war an der Tür und hat gebellt. Deswegen hab ich nichts mehr hören können. Deswegen kann ich auch nicht sicher sagen, dass da jemand die Treppe herunterkam. Ich mein, der Hund war sowieso aufgeregt. Kann sein, dass er einfach so gebellt hat.» Sie lachte auf. «Komische Aussage, was meinen Sie, Frau Kommissarin?»
    Laura lächelte zurück. «Ja, ziemlich komisch, aber ehrlich! Das Wichtigste fehlt mir noch.»
    Anna-Maria Burger entfaltete ein Papiertaschentuch und hustete hinein.
    «Und was ist das Wichtigste?», nuschelte sie.
    «Haben Sie die junge Frau schon einmal gesehen?»
    Die alte Frau schüttelte den Kopf. «Nie. Die war noch nie in diesem Haus, und ich wohn schon seit fünfundvierzig Jahren hier.»
    «Sicher?»
    «Ganz sicher. Kann natürlich sein, dass die eine Freundin von denen im vierten Stock ist, von denen Juppies. Aber ich hab keine Ahnung, absolut keine Ahnung.»
    «Eine Frage habe ich noch, dann können Sie sich wieder ausruhen. Warum führt vom vierten Stock ein roter Teppich nach oben?»
    Anna-Maria Burger stieß ein keuchendes Lachen aus. «Da merkt man, dass Sie noch jung sind, Frau Kommissarin. Wissen S’, wie lang ich nicht mehr da oben war? Mindestens fünfzehn Jahre. Mit einer Angina Pectoris steigt man keine Treppen mehr. Ich bin froh, wenn ich es bis in den ersten Stock schaff! Ein roter Teppich? Zum Speicher? Na, warten’s – da ist vor drei Jahren eine Wohnung ausgebaut worden. Aber wer da wohnt? Keine Ahnung. So ist des eben heut. Könnt einem Angst machen!»
    «Gut», murmelte Laura und erhob sich langsam. Der Hund wandte kaum den Kopf, nur seine Augen folgten ihr. Das Grollen in seiner Kehle war kaum hörbar. «Bleiben Sie nur sitzen, ich finde schon allein hinaus.»
    Anna-Maria Burger nickte. «Könnten Sie mir bitte die Decke geben, Frau Kommissarin. Die auf dem Sofa. Mir ist kalt, und ich schlaf vielleicht ein bisserl in meinem Sessel.»
    Laura griff nach der flauschigen Decke, das Knurren des Hundes wurde lauter.
    «Ein seltsamer Hund», sagte Laura. «Sie haben noch nicht einmal seinen Namen gesagt.»
    «Izmir heißt er. Weil er ein Straßenköter aus Izmir ist. Meine Enkelin hat ihn mir mitgebracht. Weil ich beinah g’storben wär, wie mein letzter Hund g’storben ist.»
    «Ah», erwiderte Laura. «Wie lange haben Sie ihn schon?»
    «Neun Jahre. Am Anfang hat er jeden angeknurrt, der wie ein Türke aussah! Jetzt geht’s allmählich.»
    «Rassist?»
    Die alte Frau lachte heiser, hustete wieder.
    «Ich nehme an, dass ich mindestens noch einmal mit Ihnen sprechen muss, Frau Burger. Aber ich danke Ihnen jetzt
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