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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
Autoren: Felicitas Mayall
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die alte Dame ungewöhnlich gekleidet war. Sie trug einen schwarzen, glänzenden, spitzenbesetzten Morgenmantel.
    «Ja, wirklich! Ich fürchte mich nicht vor Hunden.»
    Laura blieb ruhig stehen und wartete auf seinen Angriff. Kaum hatte seine Besitzerin ihn losgelassen, stürmte er auf Laura zu, schlug aber kurz vor ihr einen Haken und verstellte ihr den Weg in den Flur, starrte sie von der Seite an, stieß eine Art Knurrbellen aus und wedelte gleichzeitig mit dem Schwanz. Sein Rückenhaar war steil aufgestellt, und wieder erinnerte er Laura an eine Katze.
    Die alte Frau Burger schleppte sich mühsam und hustend zu ihm hin und stieß ihn mit dem Fuß an. «Schau, dass’d weiterkummst!»
    Er ging tatsächlich. Steifbeinig, grummelnd, in seinem Stolz verletzt.
    Laura folgte der alten Frau ins Wohnzimmer, war augenblicklich angerührt von der seltsamen Stilmischung der Möbel. Es war die typische Einrichtung eines Menschen, der über Jahrzehnte immer wieder ein neues Stück dazukauft. Museum eines ganzen gutbürgerlichen Lebens. Ein bisschen spießig, ein bisschen kitschig, auf gelbem Tibetteppich absurde Sessel aus den fünfziger Jahren, ein Sofa mit englischem Blumenmuster, die Anrichte aus den zwanziger Jahren, die Tapete verblichen – rosa Rosen und Silberstreifen. Die Bilder an den Wänden waren Kunstdrucke lieblicher italienischer Landschaften. Eigentlich passte kein Stück zum anderen, und trotzdem hatte der Raum etwas Gemütliches.
    «Ich will Sie nicht lange stören, Frau Burger. Das ist doch Ihr Name, oder?»
    Sie nickte, hustete wieder und ließ sich in einen großen Ohrensessel fallen. Der Hund kauerte sich neben den Sessel und starrte Laura an.
    «Burger, Anna-Maria. Ich hab Angina Pectoris, müssen S’ wissen. Da sind Aufregungen nicht gut!»
    «Deshalb wollte ich nach Ihnen schauen. Brauchen Sie einen Arzt?»
    Anna-Maria Burger schüttelte den Kopf. Ihr Haar war in winzigkleine weiße Locken gelegt. «Ich hab mein Nitrospray. Des hilft immer. Ist auch besser, wenn ich Ihnen gleich erzähl, was ich g’sehen hab. Dann hab ich’s hinter mir. Aber setzen Sie sich doch, Frau Kommissarin.»
    Laura wählte einen der geschwungenen Fünfziger-Jahre-Sessel. «Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist.»
    «Ja, des war so. Der kleine Mistkerl hier, der da!» Sie wies auf den Hund, und Laura sah, dass ihre Hand zitterte. «Der hat an der Tür gekratzt, und ich hab gedacht, dass er rausmuss. Er muss ab und zu mitten in der Nacht raus, weil er auch nicht mehr der Jüngste ist. Prostata, Sie wissen schon, Frau Kommissarin.»
    «Soso», murmelte Laura. «Ich wusste gar nicht, dass Hunde auch darunter leiden …»
    «Aber sicher. Des is mei fünfter Rüde, und jeder von denen hat’s an der Prostata g’habt!» Die alte Frau nickte ernst, lachte dann plötzlich auf. «Die Mannsbilder ham’s a ned leicht!»
    Laura lächelte ihr zu, mechanisch, mit den Gedanken weit weg. Plötzlich richtete die alte Frau sich auf, hustete wieder. «Sie müssen denken, dass ich eine g’spinnerte Alte bin! Weil ich von der Prostata red, wo da unten des schöne Mädel liegt. I mein’s ned so.»
    Sie nickte wieder, hustete und begann den Hund zu streicheln. «Also, das war so!» Plötzlich sprach sie beinahe Hochdeutsch. «Im Nachhinein glaub ich, dass der Hund gar nicht rausmüssen hat, sondern dass er das g’spürt hat. Vielleicht hat er auch etwas gehört. Einen Schrei oder so was. Jedenfalls bin ich mir nicht einmal sicher, ob er sein Bein gehoben hat da draußen im Hof. Ich bin mit ihm raus, und er hat geknurrt und wollt gar nicht in den Hof.» Anna-Maria Burger zog eine kleine Plastikflasche aus ihrem Morgenmantel, murmelte eine Entschuldigung und spritzte Nitrospray auf ihre Zunge. Mühsam schluckend, verzog sie ihr Gesicht.
    «Soll ich nicht doch einen Arzt rufen?», fragte Laura.
    «Nein, nein. Geht schon, geht schon. Gleich bin ich wieder so weit. Also: Ich hab das Licht ang’macht, und da hab ich sie schon gesehen. Erst hab ich gedacht, dass sie vielleicht schläft oder so. Aber dann hab ich g’sehen, dass da was nicht stimmt. Ich bin hin zu ihr und hab sie ang’schaut.» Die alte Frau senkte den Kopf, nestelte an ihrem Morgenmantel herum.
    Laura wartete, fragte erst nach ein paar Minuten, die angefüllt waren vom schweren Ticken der Wanduhr: «Und was haben Sie gesehen?»
    «Dass sie tot war!» Anna-Maria Burger atmete pfeifend ein. «Ich hab sie auch angefasst. Sie war noch ein bisserl warm. Und dann hab ich
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