Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
zuzuschauen, wie ein hübsches Mädchen ein Steak in sich hineinschlang. Und dann - wie es eigentlich geschehen war, wusste er nicht mehr genau - hatte er entdeckt, dass in diesem leicht reizbaren Mädchen eine leidenschaftliche Frau steckte, und er hatte sich in sie verliebt.
    Er ließ seinen Blick durch ihre kleine Atelierwohnung wandern. Mit Vergnügen gewahrte er all die vertrauten Dinge, die der Wohnung ihren persönlichen Stempel aufdrückten: eine niedliche Lampe, deren Fuß aus einer kleinen chinesischen Vase bestand; ein Regal voller Bücher über Ökonomie und Weltarmut; ein großes weiches Sofa, in dem man versinken konnte; eine Fotografie ihres Vaters, eines gut aussehenden Mannes im Zweireiher (vermutlich aus den frühen sechziger Jahren); ein kleiner Silberpokal, den sie 1971, vor zehn Jahren, auf ihrem Pferdchen Dandelion gewonnen hatte. Damals war sie dreizehn, dachte Ellis, und ich dreiundzwanzig; und zu der Zeit, da sie ihre Ponyrennen im Hampshire gewann, habe ich den Ho-Chi-Minh-Pfad vermint.
    Als er die Wohnung vor knapp einem Jahr zum ersten Mal gesehen hatte, war Jane gerade aus der Vorstadt hergezogen, und alles hatte reichlich karg gewirkt: nichts als eine kleine Mansarde mit einer Kochnische und einer Duschnische und einer Außentoilette. Nach und nach hatte Jane das Zimmer in ein behagliches Nest verwandelt.
    Als Dolmetscherin (vom Französischen und Russischen ins Englische) verdiente sie gut, doch die Miete war ziemlich hoch – das Appartement lag in der Nähe des Boulevard St. Michel -, und so hatte sie nur Notwendiges, wenn auch Gutes angeschafft: genau den richtigen Mahagonitisch, ein antikes Bettgestell und einen Täbristeppich . Sie war das, was Ellis’ Vater eine Klassefrau genannt hätte. Sie wird dir gefallen, Dad, dachte Ellis. Du wirst einfach hingerissen sein.
    Er drehte sich auf die Seite, ihr entgegen, und die Bewegung weckte sie auf, genau wie er’s erwartet hatte. Ihre großen blauen Augen blickten für einen Sekundenbruchteil zur Zimmerdecke, dann sah sie ihn an, lächelte und rollte herüber in seine Arme. »Hallo«, flüsterte sie, und er küsste sie.
    Sofort wurde er steif. Eine Weile lagen sie zusammen, halb im Schlaf, sich ab und zu küssend; dann schwang sie ein Bein über seine Hüfte, und sie begannen einander zu lieben, träge, wortlos.
    Als sie ein Liebespaar geworden waren, liebten sie sich morgens, abends und oft auch noch am Nachmittag. Ellis hatte angenommen, ein solches Maß von Leidenschaft werde nicht von Dauer sein; er rechnete damit, dass der Reiz der Neuheit nach ein paar Tagen oder vielleicht ein paar Wochen verflogen wäre und sie sich dann auf das statistische Mittel von zweieinhalbmal pro Woche oder so beschränken würden. Er hatte sich geirrt.
    Ein Jahr später trieben sie es immer noch wie die Flitterwöchner.
    Sie wälzte sich über ihn, ließ ihr volles Gewicht auf seinem Körper ruhen. Ihre feuchte Haut klebte an seiner Haut. Er schlang seine Arme um ihren kleinen Körper und zog sie an sich, während er tief in sie hineinstieß. Sie spürte, dass er sich dem Orgasmus näherte, und sie hob ihren Kopf und sah ihn an, küsste ihn dann mit offenem Mund. Gleich darauf ließ sie ein leises, eher stumpfes Stöhnen hören, und er spürte, wie sie in einem langen, sanften, wellenartigen Sonntagmorgenorgasmus kam. Sie blieb auf ihm liegen, noch immer halb im Schlaf. Er strich ihr übers Haar.
    Nach einer Weile bewegte sie sich. »Weißt du, welchen Tag wir heute haben?« murmelte sie.
    »Sonntag.«
    »Und an diesem Sonntag bist du dran mit dem Mittagessen.«
    »Hatte ich nicht vergessen.«
    »Gut.« Sie schwieg einen Augenblick. »Was wirst du mir denn bieten?«
    »Steak, Kartoffeln, Erbsen, Ziegenkäse, Erdbeeren und Chantillycreme .«
    Sie hob den Kopf, lachte. »Das ist ja dein Standardmenü!«
    »Das ist es nicht. Letztes Mal hatten wir grüne Bohnen.«
    »Und das Mal davor hattest du’s vergessen, und wir aßen außerhalb. Wie war’s denn mit etwas Abwechslung auf deinem Küchenzettel?«
    »He, nun mal langsam. Unsere Abmachung lautet, dass wir uns sonntags beim Kochen abwechseln. War aber nie die Rede davon, dass es jedes Mal was anderes geben muss .«
    Sie erschlaffte wieder auf ihm, schien sich geschlagen zu geben.
    Die ganze Zeit über war in einem Winkel seines Gehirns ein Gedanke wach gewesen: was er heute zu tun hatte. Dabei würde er ihre unwissentliche Hilfe brauchen, und dies war der Augenblick, sie zu fragen. »Ich muss heute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher