Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Ellis, und legte eine Hand auf seinen Oberschenkel.
    »Aber ich habe doch nur Spaß gemacht«, sagte sie.
    »Es ist aber trotzdem wahr.«
    Für eine Weile schwiegen beide. Es war auf den Tag genau sechs Monate her, seit sie aus Afghanistan entkommen waren. Ab und zu geschah es, dass Jane ohne ersichtlichen Grund in Tränen ausbrach, doch sie hatte keine Albträume mehr, in denen sie immer und immer wieder Jean-Pierre erschoss . Außer Ellis und ihr wusste niemand, was wirklich geschehen war – Ellis hatte sogar, was Jean-Pierres Tod betraf, seine Vorgesetzten angelogen. Jane ihrerseits war zu dem Entschluss gekommen, Chantal später einmal zu erzählen, dass ihr Vater in Afghanistan im Krieg umgekommen sei. Mehr nicht.
    Statt die Richtung zur City einzuschlagen, manövrierte Ellis das Auto durch eine Reihe von Nebenstraßen und hielt schließlich bei einem unbebauten Grundstück, von wo aus man Ausblick auf das Wasser hatte.
    »Was willst du hier?« fragte Jane. »Schmusen?«
    »Hätte nichts dagegen. Aber eigentlich möchte ich mit dir reden.«
    »Okay.«
    »Es war ein schöner Tag.«
    »Ja.«
    »Petal war heute viel entspannter mir gegenüber als je zuvor.«
    »Und aus welchem Grund?«
    »Ich habe da eine Theorie«, sagte Ellis. »Es gibt zwei Gründe dafür - dich und Chantal.
    Jetzt, wo ich Teil einer Familie bin, stelle ich für sie, was ihr Heim und ihr gewohntes Leben betrifft, keine Bedrohung mehr dar. Jedenfalls glaube ich, dass es so ist.«
    »Für mich klingt das überzeugend. Ist es das, worüber du mit mir sprechen wolltest?«
    »Nein.« Er zögerte. »Ich werde nicht länger für die CIA arbeiten.«
    Jane nickte. »Das freut mich, freut mich sehr«, sagte sie voller Überzeugung. Es war mehr oder minder das, was sie sich erhofft hatte. Er wollte einen Schlussstrich ziehen, gleichsam ein neues Buch aufschlagen »Die Mission in Afghanistan ist im Wesentlichen beendet«, fuhr er fort. »Masuds Ausbildungsprogramm läuft an, und die erste Lieferung haben die Rebellen inzwischen auch erhalten. Masud ist so stark, dass er mit den Russen über Winter einen Waffenstillstand aushandeln konnte.«
    »Gut!« sagte Jane. »Ich bin für alles, was zur Feuerpause führt.«
    »Während ich in Washington war und du in London, hat man mir einen anderen Job angeboten. Es ist etwas, was mir wirklich zusagt, außerdem ist die Bezahlung gut.«
    »Worum handelt es sich?« fragte Jane interessiert.
    »Es ist ein Job bei der neu geschaffenen Special Task-Force gegen das organisierte Verbrechen.«
    Jane spürte ein Stechen in der Herzgegend: Angst. »Ist es gefährlich?«
    »Nicht für mich. Ich bin inzwischen zu alt für den aktiven Dienst. Es wird meine Aufgabe sein, andere Agenten an den entsprechenden Stellen einzusetzen.«
    Jane spürte, dass er nicht ganz aufrichtig zu ihr war. »Sag mir die Wahrheit, du Halunke!«
    verlangte sie.
    »Nun, es ist wesentlich weniger gefährlich als das, was ich bisher gemacht habe, allerdings nicht ganz so sicher wie die Leitung eines Kindergartens.«
    Sie lächelte ihn an. Jetzt wusste sie, worauf es hinauslief, und es machte sie glücklich.
    Er sagte: »Ich werde von hier aus operieren, also in New York bleiben.«
    Ein wenig verdattert fragte sie: »Wirklich?«
    »Warum bist du so überrascht?«
    »Weil ich mich bei den Vereinten Nationen um einen Job beworben habe. Hier in New York.«
    »Davon hast du mir ja gar nichts gesagt!« kritisierte er, offensichtlich gekränkt.
    »Hast du mir vielleicht etwas von deinen Plänen verraten?« erwiderte sie empört.
    »Ich erzähl’s dir ja jetzt.«
    »Und ich erzähl’s dir jetzt.«
    »Aber … hättest du dich von mir getrennt?«
    »Warum sollten wir dort leben, wo du arbeitest? Warum nicht dort, wo ich arbeite?«
    »In dem Monat, in dem wir nicht zusammen waren, habe ich ganz vergessen, wie verdammt empfindlich du bist, meine Teuerste«, sagte er eigensinnig.
    »Allerdings.«
    Sie schwiegen.
    Schließlich sagte Ellis: »Nun ja, jedenfalls … also wo wir beide in New York leben werden …«
    »Sollten wir uns einen gemeinsamen Haushalt teilen?«
    »Ja«, sagte er zögernd.
    Plötzlich tat es ihr leid, die Selbstbeherrschung verloren zu haben. Er war ja nicht eigentlich rücksichtslos, sondern nur unverständig, ein wenig schwer von Begriff. Sie hatte ihn beinahe verloren, dort in Afghanistan, und sie würde nie wieder sehr lange auf ihn böse sein können, weil sie sich immer wieder daran erinnern würde, wie groß ihre Angst gewesen war, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher