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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen
Autoren: Ken Follett
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Hubschrauber löste sich vom Boden.
    Jean-Pierre begann zu rennen.
    Während die Maschine aufwärts strebte, gelang es ihm, mit einem Satz die Kabine zu erreichen. Jane hoffte, dass er wieder hinausfallen würde, doch er behielt das Gleichgewicht. Mit hasserfüllten Augen blickte er zu Jane, bereit, auf sie loszugehen.
    Sie schloss die Augen und drückte ab. Ein Schuss krachte, heftig ruckte die Pistole in Janes Hand.
    Sie öffnete wieder die Augen. Jean-Pierre stand aufrecht da, auf seinem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck der Verblüffung. Dann tauchte auf dem Brustteil seiner Jacke ein dunkler Fleck auf. In Panik drückte Jane wieder ab, und wieder, und ein drittes Mal. Die ersten beiden Schüsse verfehlten ihr Ziel, doch der dritte Schuss schien Jean-Pierre an der Schulter getroffen zu haben. Er drehte sich um die eigene Achse und fiel dann, mit dem Gesicht nach vorn, durch die offene Tür hinaus.
    Dann war er verschwunden.
    Ich habe ihn getötet, dachte Jane.
    Zuerst durchströmte sie ein Gefühl wilden Triumphes. Er hatte versucht, sie in seine Gewalt zu bekommen und zu seiner Sklavin zu machen. Er hatte sie gejagt wie ein Tier.
    Er hatte sie getäuscht, hatte sie geschlagen.
    Und jetzt hatte sie ihn getötet.
    Dann wurde sie überwältigt von plötzlichem Kummer. Sie setzte sich auf den Boden der Kabine und schluchzte. Auch Chantal begann zu weinen, und beschwichtigend wiegte Jane das Baby in ihren Armen.
    Wie lange sie so saß, wusste sie nicht. Schließlich stand sie auf und ging nach vorn zum Pilotensitz.
    »Alles in Ordnung?« rief Ellis.
    Sie nickte und versuchte ein Lächeln.
    Ellis erwiderte das Lächeln und deutete auf einen Anzeiger im Instrumentenbrett. »Sieh nur - volle Tanks!«
    Sie küsste ihn auf die Wange. Eines Tages würde sie ihm sagen, dass sie Jean-Pierre erschossen hatte, aber nicht jetzt.
    »Wie weit ist es bis zur Grenze?« fragte sie.
    »Weniger als eine Stunde. Und sie können niemand hinter uns herschicken, weil wir ihr Funkgerät haben. Wir haben es geschafft!«
    Jane blickte nach vorn durch die Panoramascheiben. Unmittelbar voraus sah sie die schneegekrönten Gipfel der Berge, die sie hätte überwinden müssen. Ich glaube ich hätte mich in den Schnee gelegt, um zu sterben.
    Ellis’ Gesicht hatte einen sehnsüchtigen Ausdruck.
    »Woran denkst du?« fragte sie ihn.
    »Ich denke daran, wie gut mir jetzt ein Roastbeef-Sandwich schmecken würde, mit Salat und Tomate und Mayonnaise auf Vollkornbrot«, sagte er, und Jane musste lächeln.
    Chantal bewegte sich unruhig und begann auf einmal lauthals zu schreien.
    Ellis streckte eine Hand nach ihr und streichelte das rosafarbene Bäckchen. »Sie hat Hunger«, sagte er.
    »Ich werde in die Kabine zurückgehen und sie anlegen«, sagte Jane.
    Sie setzte sich auf die Bank, knöpfte ihre Jacke und ihr Hemd auf und stillte ihr Baby, während der Hubschrauber der aufgehenden Sonne entgegenflog.

20
     

     
    1983
     
     
    ZUFRIEDEN GING JANE zu Ellis’ Auto, das in der Auffahrt geparkt war, und setzte sich auf den Beifahrersitz. Es war ein erfolgreicher Nachmittag gewesen. Die Pizzas hatten ausgezeichnet geschmeckt, und Petal war von dem Film Flashdance hingerissen gewesen. Zuerst hatte Ellis sich sehr unbehaglich gefühlt bei dem Gedanken, seine Tochter mit seiner Freundin bekannt zu machen, doch Petal wirkte wie verzaubert von der inzwischen sechs Monate alten Chantal. Ellis war darüber so glücklich gewesen, dass er, als sie Petal nach Hause brachten, einen Vorschlag machte: Jane könne doch auf einen Sprung mit ins Haus kommen, um Gill guten Tag zu sagen. Gill hatte sie ins Haus gebeten und sich wegen Chantal kaum zu fassen gewusst . So war es gekommen, dass Jane an einem einzigen Nachmittag nicht nur Ellis’ Tochter, sondern auch seine frühere Frau kennengelernt hatte.
     
    Ellis–Jane konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass er eigentlich John hieß, und sie hatte beschlossen, ihn auch weiterhin Ellis zu nennen - Ellis also setzte Chantal jetzt auf den Rücksitz und stieg vorn ein. »Nun, was denkst du?« fragte er, als sich das Auto in Bewegung setzte.
    »Du hattest mir nicht gesagt, dass sie hübsch ist«, sagte Jane.
    »Petal ist hübsch?«
    »Ich meinte Gill«, sagte Jane mit einem Lachen.
    »Ja, sie ist hübsch.«
    »Es sind sehr nette Menschen, und sie haben’s nicht verdient, mit einem wie dir in einen Topf geworfen zu werden.«
    Sie wollte ihn aufziehen, doch er nickte ernst.
    Jane lehnte sich zur Seite, näher zu
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