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Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege
Autoren: Sissi Flegel
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warum musste sie ausgerechnet das schüchterne Mädchen, diese unscheinbare Elena mit der hässlichen Brille, noch mehr verunsichern, als sie ohnehin schon war? Idiotisch war das, idiotisch und unnötig.
    »Welche Aufgabe haben eigentlich Betreuerinnen, wie ihr es seid?«, erkundigte sie sich treuherzig.
    »Erklärt sich das nicht von selbst?«, entgegnete Swetlana. »Wir betreuen euch.«
    Charly runzelte die Stirn. »Wenn sich eine von uns den Fuß verstaucht, bringt ihr das Essen ans Bett? Beispielsweise? Oder seid ihr dafür verantwortlich, dass wir hier alles so schnell wie möglich auf die Reihe bekommen?«
    »Such dir’s aus«, meinte Valerie.
    »Das ist das Haupthaus«, erklärte Swetlana, nachdem sie weiter in das Gebäude vorgedrungen waren. »Hier im Erdgeschoss befinden sich links die Wirtschaftsräume und die Küche, geradeaus liegt der Speiseraum mit der Gartenterrasse, rechts sind die Verwaltungsräume, das Sekretariat und Professor Moris Rektorat.«
    Charly folgte Swetlanas Ausführungen höchst interessiert
und mit blitzenden Augen, während Elena stumm neben ihr herstolperte.
    »Im ersten Stock«, erklärte Valerie, während sie die breite Treppe hinaufgingen, »befindet sich direkt über dem Speiseraum unser Aufenthaltsraum.« Sie öffnete eine breite Tür und ging den anderen voraus. »Daran schließen sich das Fernsehzimmer und die Bibliothek an.«
    »Nicht übel.« Charly deutete auf die Regale voller Bücher und die gemütlichen Sessel und Tischchen vor einem Kamin. »Und einen Flügel haben wir auch? Das ist ja allerhand!«
    »Spielt eine von euch ein Instrument?«, erkundigte sich Valerie.
    Charly sah Elena an, dann schüttelten beide die Köpfe.
    »Da wird Claudio Torelli aber sehr enttäuscht sein!« Swetlana zwinkerte Valerie zu.
    »Claudio Torelli?« Charly hob die Augenbrauen.
    »Unser Musiklehrer. Er lebt in der Hoffnung, ein musikalisches Wunderkind könne mal den Weg zu uns finden.« Valerie lachte spöttisch.
    Charly hob den Deckel des schwarz lackierten Flügels und tippte auf die Tasten.
    »Alle meine Entchen.« Swetlana klatschte spöttisch mit zwei Fingern Beifall. »Du kannst ja doch spielen!«
    »… schwimmen auf dem See«, ergänzte Charly lachend. »Das ist mein gesamtes Repertoire!«
    »Immerhin«, meinte Valerie gönnerhaft und trat wieder auf den langen Flur hinaus. »Hier sind unsere Schulräume, und ganz am Ende des Flurs befinden sich die Appartements von Miss Reeves, unserer Englischlehrerin, und von Mademoiselle Cugat, der Sportlehrerin. Im zweiten Stock«, sie ging zur Treppe und bedeutete Elena und Charly, sich etwas zu beeilen, »wohnen die Fünft- bis Achtklässlerinnen
in Dreier- und Viererzimmern, und hier, im dritten Stock, sind alle ab Klasse Neun untergebracht.«
    »Auch in Dreier- oder Viererzimmern?«, platzte Elena verwirrt heraus.
    »Wo denkst du hin?! Ab Klasse Neun teilen sich zwei Mädchen einen Raum.« Valerie sah sie neugierig an. »Bist wohl nur ein Einzelzimmer gewöhnt? Da musst du dich umstellen. Das gibt’s hier nicht.«
    »Im Turm«, schaltete sich Swetlana jetzt ein und deutete mit dem Daumen nach oben, »sind noch vier Zimmer, die Abiturientinnen vorbehalten sind.«
    »Die Zimmer sind erstklassig«, ergänzte Valerie. »Die Treppenstufen knarren und warnen vor unerwünschtem Besuch.« Sie kicherte, warf Swetlana einen bedeutungsvollen Blick zu und fuhr eilig fort: »Unterm Dach sind dann nur noch die Abstellräume für Koffer und Taschen, und im Untergeschoss sind die Schuhräume und die Übungszimmer mit den Klavieren.«
    Charly ärgerte sich über Valeries überhebliche Art, aber über »Swetty« ärgerte sie sich noch viel mehr. Sie hätte nicht sagen können, ob es die lässige, gedehnte Sprechweise, die trägen Bewegungen oder die ihr unverständlichen Anspielungen waren - Swetlana ging ihr gegen den Strich. Charly war offen und direkt; Swetlana schien jeder Info ein Geheimnis mitzugeben, das nur einem Insider bekannt war. Und sie war, verdammt noch mal, kein Insider. Sie war gerade erst angekommen!
    Als Swetlana schließlich eine der Türen in dem langen Flur öffnete, mit einer lässigen Handbewegung ins Innere deutete und von oben herab »Das ist euer Zimmer« sagte, trat Charly ein und zog Elena am Arm mit. »Danke fürs Herführen.«

    Dann drehte sie sich um und versperrte dabei den beiden anderen den Weg. »Elena und ich möchten jetzt allein sein. Wo finden wir euch später?«
    »Bitte?«
    »Wo ist eu-er-Zim-mer?« Charly
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