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Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege
Autoren: Sissi Flegel
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schlürfte.
    »Sollte etwas fehlen, wird sich unsere Sekretärin mit Ihnen in Verbindung setzen. Aber nun wollen Sie doch sicher das Zimmer sehen, in dem Ihre Tochter wohnen wird. Und die anderen Räumlichkeiten, die Turnhalle, unsere ganze Anlage -«
    »Keine Zeit«, unterbrach sie Herr Gerber. »Ich muss schnellstmöglich nach Heidelberg zurück. Hab eine Speditionsfirma und bin ein hart arbeitender Geschäftsmann.«

    Elena sah, wie sich Professor Moris Augen für den Bruchteil einer Sekunde weiteten.
    »Verstehe«, entgegnete sie höflich. »Dennoch bitte ich Sie noch um einige Minuten Ihrer kostbaren Zeit.«
    Elenas Vater knurrte etwas Unverständliches.
    »Was sagten Sie gerade?«, erkundigte sich Professor Mori höflich.
    »Nichts. Ich sagte nichts.«
    Die Leiterin blätterte in Elenas Unterlagen. »Ich vermisse den Bericht des Hausarztes. Leidet Elena unter Allergien, zum Beispiel -«
    »Das Mädchen ist gesund.«
    Das Mädchen! Nicht »meine Tochter«! Elena biss sich auf die Unterlippe und verwünschte ihren Vater in die heißeste Hölle.
    »Das ist erfreulich.« Professor Mori wandte sich Elena zu. »Keine Gefahr bei einem Wespen- oder Bienenstich? Das ist schön. Essen kannst du auch alles? Gut. Treibst du Sport, Elena?«
    Bevor Elena noch antworten konnte, war ihr Vater aufgestanden. »Die Fragen können Sie ohne mich klären«, meinte er ungeduldig.
    »Einen Augenblick noch. Bitte setzen Sie sich wieder.« Professor Moris Ton war höflich, aber so bestimmt, dass Herr Gerber tatsächlich noch einmal Platz nahm.
    »Was gibt es denn noch?«
    »Ich fragte, ob Ihre Tochter Sport treibt«, wiederholte Professor Mori ungerührt. »Elena, möchtest du Tennis-, Golf- oder Reitstunden nehmen? Wenn ja, bräuchte ich dafür die Einwilligung deines Vaters.«
    Elena schüttelte den Kopf. »Außer Schulsport mache ich nichts.«

    Herr Gerber fuhr auf. »Wie bitte? Ich hör wohl nicht recht! Du fährst Ski! Und das, seitdem du auf den Beinen stehst! Ist das etwa nichts?«
    »Doch. Natürlich.« Elena senkte den Kopf. »Aber Professor Mori hat ja gefragt, ob -«
    Professor Mori nickte ihr freundlich zu. »Gut. Ich denke, wir haben nun alles geklärt. Sollten weitere Fragen auftauchen, wird sich meine Sekretärin an Sie wenden, Herr Gerber.« Die Schulleiterin stand auf.
    »Sie erreichen mich über meine Firma.« Elenas Vater stand bereits an der Tür, öffnete sie und schritt mit wuchtigen Schritten zur Treppe.
    Professor Mori fasste Elena am Arm, beide folgten ihm in normalem Tempo, sodass er an seinem Auto warten musste.
    »Herr Gerber«, sagte Professor Mori und reichte ihm die Hand, »ich kann mir denken, wie schwer Ihnen der Abschied von Ihrer Tochter fallen muss. Glauben Sie mir, wir werden alles tun, um -«
    »Schon gut«, fiel er ihr ins Wort, fasste Elena an der Schulter, schüttelte sie kurz, sagte: »Mach’s gut«, stieg ins Auto und brauste so ungestüm von dannen, dass der Wagen auf dem festgefahrenen Schnee ins Schleudern und dem eisernen Torpfosten gefährlich nahe kam.
    Zum ersten Mal seit Wochen atmete Elena erleichtert auf. Plötzlich fühlte sie sich frei; so frei, dass sie hätte tanzen mögen und vielleicht tatsächlich ein paar Hüpfer gemacht hätte, wenn sich nicht ein Auto genähert hätte und dicht vor ihr und ihrem Gepäck zum Stehen gekommen wäre.
    Schlagartig änderte sich alles.

    Ein Mädchen mit langen rotblonden Locken sprang aus dem Wagen, drehte sich schwungvoll um die eigene Achse und warf die Arme in die Luft, wobei Elena das Klappern von Armreifen hörte.
    »Mein Gott, ist das hier schön! Viel, viel schöner und viel, viel herrschaftlicher, als ich es mir erträumt habe! Pa, schau doch nur die herrliche Parkanlage an, und Ma! Da ist der See, die Weinberge, die Berge - das ist ja eine Aussicht! Wie findet ihr das? Seid ihr genauso überwältigt wie ich? Sagt, dass ihr es hier auch schön findet! O, ich danke euch, dass ihr ausgerechnet diesen Ort ausgesucht habt!«
    Elenas Magen krampfte sich zusammen. Wie konnte man nur so überschwänglich sein? Da! Jetzt stürmte die Lockige sogar auf sie zu!
    »Bist du auch neu hier?«, rief sie. »Du musst neu sein, du stehst ja neben deinem Gepäck! Es ist doch dein Gepäck, nicht wahr?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte sie auf Professor Mori zu.
    »Sind Sie Frau Professor Mori? Sie müssen Professor Mori sein! Ich bin Charly, Carla Wyss aus Zermatt. Ich freue mich ja so sehr, dass ich hier sein darf!« Sie wirbelte herum. »Das sind
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