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Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege
Autoren: Sissi Flegel
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ab.
    »Ich habe aufgeräumt«, antwortete Charly fröhlich. »Einen Schlusspunkt gesetzt, verstehst du?«
    »Aha«, sagte ihre Mutter mit ausdrucksloser Stimme.
»So also stellst du dir das vor? Du meinst, wenn du alles beseitigst, was dich an die Vergangenheit erinnert, hast du sie abgeschlossen?«
    »Aber natürlich! Keine Erinnerungsstücke, keine Vergangenheit. Ich bin bereit für alles Neue. Es wird herrlich werden, absolut einmalig! Den Kaffee trinken wir unten! Nun komm schon, wir haben nicht mehr viel Zeit; in einer halben Stunde steht Pa vor der Tür, und du weißt ja, dass er nicht gerne wartet!«
    In der Küche ließ Charly kaltes Leitungswasser in den Becher laufen. »Ich erfinde mal den sofort trinkbaren Kaffee«, meinte sie ausgelassen. »Ma, wie steht mir der neue Pulli? Sag, dass das Orange gut zu meiner Haarfarbe passt. Es passt doch, oder? Ich finde, dass der Pulli toll an mir aussieht. Richtig glamourös, stimmt’s? Aber jetzt muss ich das Gepäck herunterschleppen. Dauert keine Sekunde!«
    Kaum war sie auf der Treppe, fischte sie ihr Handy aus der Hosentasche. Sie schloss nachdrücklich ihre Zimmertür hinter sich, lehnte sich an die Wand und wartete ungeduldig auf die Verbindung. »Jenny«, sagte sie hastig. »Vergiss nicht, was du mir versprochen hast. In einer halben Stunde sind wir weg. Die Tür in den Keller hab ich aufgeschlossen, du kommst also ohne Weiteres herein. Im Abstellraum sind meine Skier und das Snowboard, der Sack mit den Anzügen, den Stiefeln, dem Helm und allem anderen. Verkauf alles, aber pass auf, dass du nicht übers Ohr gehauen wirst, es sind teure Stücke. Behalte das Geld.«
    Mit angehaltenem Atem lauschte sie der Stimme ihrer ältesten Freundin, die im Nachbarhaus wohnte. »Okay«, meinte sie erleichtert. »Ich verlass mich auf dich. Niemand wird dich verdächtigen, absolut niemand. Also mach’s gut und schick mir mal’ne Mail, hörst du?«

    Ohne auf Jennys Antwort zu warten, brach Charly die Verbindung ab und schleppte ihr Gepäck vor die Tür. Als ihr Vater mit dem Elektroauto vor dem Haus hielt, hatte sie schon den Mantel an und war bereit.
    »Auszug aus dem alten Land«, sagte sie heiter, setzte sich auf den Rücksitz und drehte sich nur noch einmal um, um einen letzten Blick aufs Ortsschild zu werfen: Zermatt . Das Matterhorn stach durch seine erhabene Schönheit die anderen, kaum minder spektakulären Gipfel aus, die in reinem, strahlendem Weiß in den blauen Winterhimmel ragten.
    Die Schneewälle links und rechts der stellenweise vereisten und sehr engen Straße reichten bis in den ersten Stock der kleinen braunen Holzhäuser im alten Dorfgebiet. Das Elektroauto - nur solche und Kutschen waren in der Stadt erlaubt - schlitterte leicht um eine Kurve. Einmal musste ihr Vater eine Gruppe Skifahrer mit geschulterten Brettern vorbeigehen lassen. Bei diesem grandiosen Wetter, bei diesem herrlichen Schnee auf die Piste, dachte Charly, schloss die Augen und ballte die Fäuste …
    Als sie die Haltestelle der Matterhorn-Gotthard-Bahn erreicht hatten, stellte ihr Vater das Elektroauto ab, sie stiegen in die Bahn und waren in zwanzig Minuten in Täsch, dem Endpunkt, wo in einem riesigen Parkhaus ihr normales Auto parkte.
    Ihr Vater drehte sich zu ihr um. »In wenigen Stunden ist der Winter für dich zu Ende.«
    »Ist das nicht wundervoll? Wir fahren schnurstracks in den Frühling. Mein neues Leben beginnt mit der neuen Jahreszeit. Ich freue mich ja so! Aber dass wir Omi in Martigny besuchen, finde ich unnötig. Reisende soll man nicht aufhalten, heißt es doch, und ehrlich gesagt, hasse ich es, aufgehalten zu werden!«

    »Deine Großmutter freut sich auf dich. Wer weiß, wann du wieder mal Zeit für sie hast«, antwortete ihre Mutter ruhig.
    Ihr Vater nickte zustimmend. »Und hast du noch immer nicht verstanden, dass nicht alles gut und richtig sein muss, was du dir in den Kopf gesetzt hast?«
    Charly biss sich auf die Unterlippe und warf die langen rotblonden Locken heftig nach hinten. »Das war eine fiese Antwort, Pa.«

Kapitel 2

    Einige hundert Kilometer nördlich stand Elena Gerber in ihrem Zimmer und starrte vor sich hin. Auch hier waren Koffer und Taschen gepackt; jetzt zog sie die Bettwäsche ab, faltete sie ordentlich zusammen, nahm dann ein Tuch in die Hand und staubte sorgfältig die Väschen, Figürchen, Döschen und Püppchen ab, die in dem Regal neben ihrem Schreibtisch standen.
    »Bist du verrückt? Warum machst du das?«, erkundigte sich Hanna, ihre
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