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Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist
Autoren: ANNE O'BRIEN
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Morgan! Vermutlich würde sie ihre Unschuld mit ins Grab nehmen.
    „Rose …?“
    Sie blinzelte nochmals und stellte fest, dass ihre Mutter allmählich unruhig wurde. Rosamund rief sich zur Ordnung – das war doch alles schon so lange her! Inzwischen war ihr Falke vermutlich so fett und unansehnlich wie Ralph de Morgan und hauste gemeinsam mit Weib und Kinderschar in einer zugigen, einsam gelegenen Burg. Höchstwahrscheinlich hätte er Rosamund ebenso schikaniert, wie das gegenwärtig ihre Familie tat, was ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack gewesen wäre.
    „Also, Rose, wenn Gilbert das so entschieden hat …“ Die Stimme ihrer Mutter riss Rosamund aus ihren Grübeleien. „Was sollen wir dagegen tun?“
    In Rosamunds Augen glomm ein Funkeln auf, das ihre Mutter eigentlich hätte warnen müssen. „Das kann ich dir sagen: Ich nehme mein Erbe in Anspruch.“
    „Sprichst du von Clifford?“
    „Genau. Es gehört mir, und wenn ich will, darf ich da wohnen. Du kannst ja mitkommen oder nach Lower Broadheath umsiedeln. Was meinst du?“ Ein Lächeln umspielte Rosamunds Lippen, während Petronilla über das Angebot nachdachte. Sie ahnte schon, wie ihre Mutter sich entscheiden würde: Natürlich würde sie mitkommen, denn ihre Tochter umzustimmen, das war, als wolle man die Windrichtung ändern. Die Mühe brauchte sie sich also nicht zu machen. Allerdings würde auch keine rechte Mutter ihr Kind unbeaufsichtigt in unbekanntes, unzivilisiertes Gebiet tief im Westen ziehen lassen.
    „Ich begleite dich“, bekräftigte Petronilla. „Selbstverständlich. Wieso fragst du noch?“ Dann aber, als sie die Tragweite dieser Entscheidung begriff, seufzte sie: „Nur wird Gilbert dich nicht gehen lassen.“
    „Doch, doch. Ich habe nämlich einen Plan.“
    „Aber es ist so weit weg, Rose!“
    „Eben! Weit genug, um eine Heirat mit Ralph de Morgan unmöglich zu machen. Bin ich erst einmal dort, ist die Gefahr gebannt. Dann kann ich nach meinen Vorstellungen leben.“ Entschlossenheit schimmerte in Rosamunds Augen, helle Begeisterung angesichts dieses Abenteuers, das sie sich vorgenommen hatte. „Wenn ich nach Clifford fliehe und alle Bindungen an Salisbury abbreche, dann werden Gilbert und auch Ralph mich vielleicht als hoffnungslosen Fall abschreiben. Ich denke nicht, dass einer von beiden mir einen Suchtrupp hinterdreinschickt und mich in Ketten zurück nach Salisbury schleppen lässt. Dass er mich ins Verlies wirft, bis ich zur Vernunft komme und gehorche. Wir zwei, wir sind dort den Rechthabereien der eigensüchtigen Männerwelt entzogen. Und das – davon bin ich überzeugt – wird uns beiden gefallen.“

2. KAPITEL
    In unverändert strömendem Regen erreichte Fitz Osbern bei Anbruch des Winterabends die Stadt Hereford. Wie gewohnt quartierte er seine Männer im Wirtshaus „Zum Blauen Eber“ und dessen Nebengebäuden ein. Er selbst blieb bloß auf einen Kanten Brot mit zähem Fleisch von zweifelhafter Herkunft, das er mit einem Humpen Ale herunterspülte. Danach zog er Mantel und Haube wieder über und machte sich auf zu einer Runde durch die Schänken und Tavernen der Stadt.
    Er brauchte nicht lange zu suchen, wusste er doch um die Gewohnheiten gewisser Zeitgenossen. Im „Roten Löwen“ traf er auf den Gesuchten – einen stämmigen Kämpen mit etlichen Dienstjahren auf dem Buckel. Der hob gerade einen Krug an die Lippen, als Fitz Osbern von hinten an ihn herantrat und ihm dermaßen auf die Schultern hieb, dass er sich beinahe verschluckt hätte.
    „Himmel, Arsch und Wolkenbruch!“ Zornentbrannt fuhr der Zecher herum. Der Bierkrug polterte auf den Tisch, auf dem sich gleich eine Bierlache ausbreitete. Mit der ausgeprägten Wachsamkeit des kampferprobten Ritters griff der Stämmige mit der Hand blitzschnell zum im Gürtel steckenden Dolch. Dann aber begann er zu grinsen, stieß einen Grunzlaut aus und wischte sich mit der freien Hand die bierbefleckte Tunika ab. „Ger! Hätte ich mir doch gleich denken können! Aber pass nächstens auf, wenn dir dein Leben lieb ist …“ Hugh de Mortimer ließ die Dolchspitze drohend kreisen, bevor er die Klinge auf die Tischplatte knallte. Mit dem gestiefelten Fuß angelte er nach einem Schemel und zog das Sitzmöbel heran.
    „Als ob du mich mit dem Spielzeug da auch nur ritzen könntest!“ Gervase nahm Platz und entledigte sich seines Mantels. „Bis dahin hätte ich dich doch längst aufs Kreuz gelegt! Na, amüsierst du dich immer noch in Spelunken wie dieser hier?“
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