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Die Liebeslist

Die Liebeslist

Titel: Die Liebeslist
Autoren: ANNE O'BRIEN
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Abgestoßen vom Mief aus Qualm, verdorbenen Zwiebeln, saurem Ale, feuchter Kleidung und Körperschweiß, machte er ein angewidertes Gesicht.
    Hughs wettergegerbte Züge entspannten sich; ein kameradschaftliches Lächeln breitete sich aus, das Gervase sogleich erwiderte. Die beiden Kampfgefährten schüttelten sich die Hände. Hugh hielt sich wacker für sein Alter. Obwohl gut zwölf Jahre auseinander, hatten sie Seite an Seite für Frieden in den Marken gekämpft. Grauhaarig und untersetzt, gab sich der Markgraf mit den stahlblauen Augen stets wie eine Mischung aus Zuchtmeister und Kumpel, was ihn beliebt und umgänglich gemacht hatte.
    „Damit du es weißt, Ger: Ich bin hier nur auf wohlfeile Neuigkeiten aus“, schalt der Markgraf, zwar milde im Ton, doch mit der Autorität des Älteren. Von seinem Stammsitz in Hereford aus hatte Hugh de Mortimer es sich zur Aufgabe gemacht, im Namen des englischen Königs stets die Hand am Puls der aufmüpfigen Grenzmarken zu halten. „Ich hatte hier ein Treffen mit einem meiner Kundschafter.“ Er musterte den Stoppelbart und das schwarze, regennasse Haar seines Freundes. „Ich dachte, du wärst in Anjou.“
    „War ich auch. Bin gerade zurück.“ Ächzend streckte Gervase das rechte Bein aus. Bei nasskaltem Wetter tat es ihm immer noch weh – Andenken an einen Sturz aus dem Sattel. Widerwillig fuhr er sich mit der Hand über die unrasierten Wangen. „Strapaziöse Angelegenheit, wenig Annehmlichkeiten. Und die Überfahrt erst …“ Seine Miene sprach Bände. „Eigentlich war Monmouth das Ziel, doch dann erreichte uns kurz hinter Gloucester interessante Kunde.“
    Hugh warf seinem Freund einen aufmerksamen Blick zu. „Salisbury?“
    „Du sagst es. Deswegen bin ich hier. Ich dachte, wenn es irgendwas zu erfahren gäbe – du wüsstest es. Schließlich verfügst du über vortreffliche Kanäle. Also, lass hören: Was gibt es an Neuigkeiten?“
    „Salisbury ist tot.“ Hugh kam ohne Umschweife zur Sache. „Wolltest du das hören?“
    „Dann stimmt es also.“
    „Und dir geht die Zukunft von Clifford durch den Kopf.“
    „Wundert dich das?“
    „Du meinst, die Gelegenheit ist günstig, es zurückzuholen?“
    „Das vermag ich nicht zu sagen. Eher nicht. Der Sohn und Erbe regiert mit ebenso harter Hand wie sein Alter. Die Ländereien, die sind abgesichert, da ändert auch der Wechsel an der Spitze nichts dran. Ich selbst habe zudem mit meinen weit auseinanderliegenden Besitzungen in Anjou schon genug zu tun; da kann ich mir eine solche Fehde nicht leisten. Soviel mir das Kastell auch bedeutet.“
    Hugh packte den Gefährten beim Handgelenk und zog ihn näher heran. „Pass auf, Ger: Es geht das Gerücht, der neue Earl schenke den Grenzmarken keinerlei Beachtung. Er habe Clifford und die beiden anderen Grenzkastelle sowieso nicht geerbt. Sein Bruder Walter ebenfalls nicht.“
    Gervase hielt inne, den Bierkrug schon halbwegs an den Lippen. Das Blut rauschte ihm in den Adern; ihm wurde plötzlich warm. Seine Stimmung hob sich.
    „Wenn Gilbert nicht der Erbe ist – wer dann?“
    „Die Tochter des Verstorbenen aus zweiter Ehe. Vor etwa zwölf Jahren heiratete er eine Petronilla de Bredwardine; muss folglich blutjung sein, das Mädel. Eher noch ein Kind, würde ich meinen.“
    „Ein Kind?“ Angesichts dieser veränderten Lage trommelte Gervase nachdenklich mit den Fingern gegen den Krug.
    „So jedenfalls meine Quellen. Insofern könnte du es durchaus in Betracht ziehen, das Terrain zu sondieren.“ Ein listiges Lächeln stahl sich auf Hughs Züge, was gar nicht zu seinem aufrichtigen Blick passen wollte.
    „Sapperlot, da magst du recht haben. Na, so was! Clifford im Besitz eines Kindes. Eines kleinen Mädchens!“ Sinnend hockte Fitz Osbern da und starrte in seinen Humpen.
    Clifford … Der Name haftete ihm schon von Kindesbeinen an im Gedächtnis, eingebrannt gleichsam von der derben Hand seines Vaters. Rein rechtlich gesehen gehörte die kleine Grenzbefestigung Gervase als Erbteil. Er kannte die Burg gut, hatte er doch dort für kurze Zeit gelebt, damals, während seiner Ehe mit Matilda de Vaughan. Eilig verdrängte er die unwillkommene Erinnerung und richtete seine Gedanken auf das, was er noch über das eigentliche Kastell wusste. Im Großen und Ganzen handelte es sich um eine Fachwerkanlage mit einem simplen Steinbau als Palas und fünf Türmen. Das war indes nicht das Entscheidende. Viel bedeutsamer war die strategisch günstige Lage an einer Furt über den Fluss
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