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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung
Autoren: Jeffrey Eugenides
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gegeben hat.»
    «Kennen Sie Paul Moore,
Bischof
Moore, von der Kathedrale Saint John the Divine?», fragte Phyllida, um Mitchells Aufmerksamkeit eifernd. «Er ist ein guter Freund von uns. Vielleicht wäre er interessant für Sie. Wir würden uns freuen, Sie mit ihm bekannt zu machen. Wenn wir in New York sind, höre ich mir jedes Mal die Messe in der Kathedrale an. Waren Sie schon mal dort? Oh. Das muss man erlebt haben. Es ist – wie soll ich es beschreiben? Einfach
divin

    Phyllida legte sich die Hand an die Kehle, so begeistert war sie über ihr Bonmot, während Mitchell beflissen, wenn nicht gar mitgerissen lachte.
    «Apropos religiöse Würdenträger», schaltete Alton sich ein. «Das erinnert mich an unsere Begegnung mit dem Dalai Lama. Habe ich Ihnen das schon mal erzählt? Damals, bei der Spendenaktion im Waldorf? Wir standen Spalier. Mindestens dreihundert Leute müssen es gewesen sein. Egal, als wirendlich die Ehre der persönlichen Aufwartung hatten, fragte ich den Dalai Lama: ‹Wie stehen Sie eigentlich zu Dolly Parton? Irgendwie verwandt?›»
    «Es war so peinlich!», schrie Phyllida. «Ich bin im Boden versunken vor Peinlichkeit.»
    «Daddy», sagte Madeleine, «es wird Zeit.»
    «Was?»
    «Ihr solltet aufbrechen, wenn ihr einen guten Platz bekommen wollt.»
    Alton schaute auf seine Armbanduhr. «Wir haben noch eine ganze Stunde.»
    «Es wird richtig voll», betonte Madeleine. «Ihr solltet jetzt los.»
    Alton und Phyllida sahen Mitchell fragend an, als könnten sie sich auf seinen Rat verlassen. Madeleine gab ihm unter dem Tisch einen leichten Tritt, und prompt antwortete er: «Es wird bestimmt sehr voll.»
    «Wo stellt man sich denn am besten hin?», fragte Alton, immer noch an Mitchell gewandt.
    «Bei den Van Wickle Gates. Ganz oben am Ende der College Street. Da kommen wir raus.»
    Alton erhob sich vom Tisch. Nachdem er Mitchell die Hand gegeben hatte, beugte er sich vor, um Madeleine auf die Wange zu küssen. «
Dich
sehen wir später. Miss Bakkalaureat 1982.»
    «Meine Glückwünsche, Mitchell», sagte Phyllida. «Ich habe mich
sehr
gefreut, Sie zu sehen. Und denken Sie daran: Wenn Sie auf Ihrer Grand Tour sind, schicken Sie Ihrer Mutter
massenhaft
Briefe. Sonst schwebt sie in tausend Ängsten.»
    Zu Madeleine sagte sie: «Vielleicht ziehst du dir vor der Prozession doch ein anderes Kleid an. Das da hat einen Fleck, den man sieht.»
    Darauf durchquerten Alton und Phyllida in ihrer grellen elterlichen Aktualität, ganz Seersucker und Handtasche, Manschettenknöpfe und Perlen, den beige-braunen Backsteinraum des Carr House und verschwanden durch die Tür.
    Wie zum Zeichen ihres Abgangs setzte ein neues Lied ein: Joe Jacksons hoch aufsteigende Stimme über einem Synthesizer-Beat. Der Typ hinter der Theke drehte die Lautstärke auf.
    Madeleine legte ihren Kopf auf den Tisch, ihr Haar bedeckte das Gesicht.
    «Nie wieder Alkohol», sagte sie.
    «Die berühmten letzten Worte.»
    «Du kannst dir nicht vorstellen, was mit mir los ist.»
    «Wie sollte ich? Du hast ja nicht mit mir gesprochen.»
    Ohne ihre Wange vom Tisch zu heben, sagte Madeleine in jämmerlichem Ton: «Ich bin obdachlos. Ich bin fertig mit dem College und ohne Dach über dem Kopf.»
    «Klar doch.»
    «Wirklich!», beharrte Madeleine. «Erst wollte ich mit Abby und Olivia nach New York. Dann sah es so aus, als würde ich aufs Cape ziehen, also habe ich den beiden gesagt, sie sollten sich eine andere Mitbewohnerin suchen. Und jetzt ziehe ich
nicht
aufs Cape und weiß nicht mehr, wohin. Meine Mutter will, dass ich nach Hause komme, aber eher würde ich mich umbringen.»
    «Ich werde mich für den Sommer wieder zu Hause einquartieren», sagte Mitchell. «In
Detroit
. Du wärst wenigstens in der Nähe von New York.»
    «Von Yale habe ich auch noch keine Rückmeldung, und es ist
Juni
», fuhr Madeleine fort. «Ich hätte mich schon vor über einem Monat erkundigen müssen! Ich könnte bei derZulassungsstelle anrufen, aber aus Angst zu erfahren, dass sie mich abgelehnt haben, tue ich es nicht. Solange ich’s nicht weiß, bleibt mir immerhin die Hoffnung.»
    Es verging eine Weile, bevor Mitchell wieder etwas von sich gab. «Komm doch mit nach Indien», sagte er dann.
    Madeleine öffnete ein Auge und sah durch einen Haarkringel, dass Mitchell es nur halb im Spaß meinte.
    «Eigentlich ist es gar nicht wegen Yale», sagte sie, holte tief Luft und gestand: «Leonard und ich haben Schluss gemacht.»
    Es war überaus befriedigend, das zu
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