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Die Liebeshandlung

Die Liebeshandlung

Titel: Die Liebeshandlung
Autoren: Jeffrey Eugenides
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Tisch am Erkerfenster, so weit wie möglich vom pinkhaarigen Mädchen entfernt, und ging an die Theke. Der Elvis-Costello-Typ ließ sich Zeit, bis er sie bediente. Sie bestellte drei Kaffee – einen großen für sich selbst – und Bagels. Während die Bagels aufgebacken wurden, brachte sie die Getränke an den Tisch.
    Alton, der nicht ohne Zeitung frühstücken konnte, hatte sich eine liegen gelassene
Village Voice
vom Nebentisch genommen und las. Phyllida starrte unverhohlen auf das pinkhaarige Mädchen.
    «Glaubst du, das ist bequem?», erkundigte sie sich leise.
    Als Madeleine sich umdrehte, sah sie die tausend Sicherheitsnadeln, von denen die zerfetzten schwarzen Jeans des Mädchens zusammengehalten wurden.
    «Wie soll ich das wissen, Mummy? Geh doch hin und frag sie selbst.»
    «Ich habe Angst, dass sie mich pikst.»
    «Diesem Artikel zufolge», sagte Alton, die aufgeschlagene
Voice
vor sich, «hat es bis zum neunzehnten Jahrhundert keine Homosexualität gegeben. Sie wurde erst erfunden. In Deutschland.»
    Der Kaffee war heiß, lebensrettend gut. Ihn zu schlürfen half Madeleine, sich nicht mehr ganz so elend zu fühlen.
    Ein paar Minuten später ging sie die Bagels holen. Obwohl sie leicht angebrannt waren, wollte Madeleine nicht auf neue warten und brachte sie an den Tisch. Nachdem Alton seinen mit saurer Miene inspiziert hatte, begann er ihn rabiat mit einem Plastikmesser abzuschaben.
    Phyllida fragte: «Was ist mit Leonard, sehen wir ihn heute?»
    «Ich bin mir nicht sicher», sagte Madeleine.
    «Irgendwas Genaueres, das wir wissen dürften?»
    «Nein.»
    «Bleibt es dabei, dass ihr beide im Sommer zusammenziehen wollt?»
    Gerade hatte Madeleine zum ersten Mal von ihrem Bagel abgebissen. Und da es kompliziert war, die Frage ihrer Mutter zu beantworten – genau genommen wollten Madeleine und Leonard nicht mehr zusammenziehen, weil sie seit drei Wochen getrennt waren, aber Madeleine hatte die Hoffnung auf eine Versöhnung noch nicht aufgegeben, und nachdem sie ihre Eltern nun schon einmal so mühsam an den Gedanken ihres Zusammenlebens mit einem Typen gewöhnt hatte, wollte sie nicht alles wieder aufs Spiel setzen, indem sie zugab, dass der Plan gestorben sei   –, war sie heilfroh, auf ihren vollen Mund deuten zu können, wodurch ihr die Antwort erspart blieb.
    «Na schön, du bist ja jetzt erwachsen», sagte Phyllida. «Du kannst machen, was du willst. Trotzdem, nur um es klarzustellen: Ich muss sagen, ich finde es nicht gut.»
    «Das hast du schon oft genug klargestellt», mischte Alton sich ein.
    «Weil es immer noch eine schlechte Idee ist!», rief Phyllida. «Ich meine nicht, ob es sich gehört. Ich spreche von den praktischen Problemen. Wenn du mit Leonard – oder mit welchem jungen Mann auch immer – zusammenziehst und
er
derjenige ist, der eine Arbeit hat, bist du von vornherein im Nachteil. Was passiert, wenn es mit euch beiden nicht so läuft? Wo bleibst du dann? Dann hast du nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf. Und nichts zu tun.»
    Dass ihre Mutter mit ihrer Analyse richtiglag, ja dass dieZwickmühle, vor der Phyllida sie warnte, genau die war, in der sie bereits steckte, entlockte Madeleine kein Zeichen der Zustimmung.
    «Du hast deine Arbeit aufgegeben, als wir uns kennenlernten», sagte Alton zu Phyllida.
    «Darum weiß ich ja, wovon ich rede.»
    «Können wir das Thema wechseln?», sagte Madeleine, die ihren Bissen endlich geschluckt hatte.
    «Natürlich, Schätzchen. Nur eins noch, das Letzte, was ich dazu sagen will: Falls du deine Pläne änderst, kannst du jederzeit nach Hause kommen. Dein Vater und ich wären glücklich, dich bei uns zu haben.»
    «Ich nicht», sagte Alton. «Ich will sie nicht. Nach Hause zurück, das ist immer eine schlechte Idee. Bleib bloß weg.»
    «Keine Angst», sagte Madeleine, «das werde ich.»
    «Du hast die Wahl», sagte Phyllida. «Aber
falls
du nach Hause kommst, steht dir der Anbau zur Verfügung. Da kannst du kommen und gehen, wann du willst.»
    Zu Madeleines eigener Überraschung ging ihr dieser Vorschlag einen Augenblick durch den Sinn. Weshalb nicht alles ihren Eltern erzählen, sich auf der Rückbank des Autos zusammenrollen und mit nach Hause nehmen lassen? Sie könnte wieder in ihr altes Zimmer mit dem Schlittenbett und der
Madeline -Tapete
ziehen. Sie könnte eine alte Jungfer werden wie Emily Dickinson, brillante Gedichte mit lauter Gedankenstrichen schreiben und nie ein Pfund zunehmen.
    Phyllida riss sie aus ihrer
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