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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau
Autoren: Alice Munro
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Vorgehensweise entschieden, eine schlichtere Art, ihre Neuigkeit zu berichten. Aber keiner sagte klar, dass er zu Hause nichts erzählen durfte. Es gab keinen guten Grund, warum Bud Salter oder Jimmy Box es nicht hätten tun sollen.
    Cece Ferns erzählte zu Hause nie etwas.
     
    Cece Ferns war ein Einzelkind. Seine Eltern waren älter als die der meisten Jungen, oder vielleicht erweckten sie aufgrund des zerstörerischen Lebens, das sie miteinander führten, nur den Eindruck, älter zu sein. Als er sich von den anderen Jungen trennte, verfiel Cece in Laufschritt, wie er es meistens auf dem letzten Stück des Heimweges tat. Das war nicht, weil er darauf brannte, nach Hause zu gelangen, oder weil er meinte, dadurch die Dinge bessern zu können. Vielleicht war es, damit die Zeit rascher verging, denn das letzte Stück musste für ihn voll böser Vorahnungen sein.
    Seine Mutter war in der Küche. Gut. Sie lag nicht mehr im Bett, auch wenn sie immer noch im Morgenmantel umherging. Sein Vater war nicht da, und das war auch gut. Sein Vater arbeitete beim Getreidesilo und hatte ab Samstagmittag frei, und wenn er um diese Zeit noch nicht zu Hause war, dann war er wahrscheinlich gleich ins Cumberland gegangen. Das hieß, sie würden es erst am Abend mit ihm zu tun bekommen.
    Der Vater von Cece hieß auch Cece Ferns. Das war in Walley ein weithin bekannter und im Allgemeinen mit Sympathie genannter Name, und falls jemand dreißig oder vierzig Jahre später eine Geschichte erzählte, würde er voraussetzen, dass alle wussten, von wem die Rede war, nämlich vom Vater, nicht vom Sohn. Wenn dann einer, der noch relativ neu in der Stadt war, sagte: »Das klingt gar nicht nach Cece«, würde man ihm antworten, dass niemand
diesen
Cece meinte.
    »Nicht der, wir reden von seinem Alten.«
    Sie redeten darüber, wie Cece Ferns mal ins Krankenhaus ging oder gebracht wurde, und zwar mit Lungenentzündung oder etwas ähnlich Schlimmem, und wie die Krankenschwestern ihn in nasse Handtücher und Laken wickelten, um das Fieber zu senken. Er schwitzte das Fieber aus, und alle Handtücher und Laken wurden braun. Das war das Nikotin in ihm. Die Krankenschwestern hatten so etwas noch nie gesehen. Cece war begeistert. Er behauptete, seit seinem zehnten Lebensjahr Tabak geraucht und Alkohol getrunken zu haben.
    Und wie er mal in die Kirche ging. Es ließ sich schwer vorstellen, warum, aber es war die Baptistenkirche, und seine Frau war Baptistin, also vielleicht ging er ihr zuliebe hin, obwohl sich das noch schwerer vorstellen ließ. An jenem Sonntag wurde das Abendmahl abgehalten, und in der Baptistenkirche ist das Brot Brot, aber der Wein ist Traubensaft. »Was ist das denn?«, rief Cece Ferns laut. »Wenn das das Blut des Herrn ist, dann hatte der die Bleichsucht.«
    Vorbereitungen für das Mittagessen waren in der Küche der Familie Fern s im Gange. Ein Laib Schnittbrot lag auf dem Tisch, und eine Dose mit gewürfelten Roten Beten war geöffnet worden. Ein paar Scheiben Jagdwurst waren gebraten worden – vor den Eiern, obwohl man sie hinterher braten musste – und wurden oben auf dem Herd ein wenig warm gehalten. Und jetzt hatte Ceces Mutter mit den Eiern angefangen. Sie stand über den Herd gebeugt, in der einen Hand hielt sie den Eierwender, mit der anderen hielt sie sich den schmerzenden Leib.
    Cece nahm ihr den Eierwender aus der Hand und stellte die Kochplatte kleiner, denn sie war viel zu heiß. Er musste die Pfanne vom Herd nehmen, bis die Platte abgekühlt war, damit das Eiweiß nicht zu zäh wurde oder an den Rändern verbrannte. Er war nicht rechtzeitig gekommen, um das alte Fett auszuwischen und ein bisschen frisches Schmalz in die Pfanne zu geben. Seine Mutter wischte nie das alte Fett aus, sondern ließ es einfach von einer Mahlzeit zur anderen drin und tat nur, wenn es nötig wurde, etwas Schmalz hinzu.
    Als die Hitze mehr nach seinem Geschmack war, stellte er die Pfanne auf die Platte und ruckelte die schaumigen Ränder der Eier zu säuberlichen Kreisen. Er fand einen sauberen Löffel und tröpfelte ein wenig heißes Fett über die Eigelbs, damit sie sich setzten. Er und seine Mutter mochten die Eier so gebraten, aber seine Mutter brachte es oft nicht zustande. Sein Vater mochte die Eier gewendet und flach wie Pfannkuchen, mit viel schwarzem Pfeffer und durchgebraten, bis sie hart wie Schuhsohlen waren. Cece konnte sie auch so, wie er sie mochte, braten.
    Keiner der anderen Jungen wusste, wie anstellig er in der Küche war –
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