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Die Liebe einer Frau

Die Liebe einer Frau

Titel: Die Liebe einer Frau
Autoren: Alice Munro
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ebenso wie keiner etwas von seinem Versteck wusste, das er sich draußen vor dem Haus angelegt hatte, in der Mauernische neben dem Wohnzimmerfenster, hinter der japanischen Berberitze.
    Seine Mutter saß auf dem Stuhl neben dem Fenster, während er die Eier aufaß. Sie behielt die Straße im Auge. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass sein Vater nach Hause kam und etwas essen wollte. Und noch nicht betrunken war. Aber sein Verhalten hing nicht immer davon ab, wie betrunken er war. Käme er jetzt in die Küche, konnte es sein, dass er von Cece verlangte, ihm auch ein paar Eier zu machen. Dann fragte er ihn vielleicht, wo er denn seine Schürze hatte, und sagte ihm, dass er mal eine prächtige Ehefrau abgäbe. So würde er sich verhalten, wenn er gute Laune hatte. Wenn er andere Laune hatte, würde er von Anfang an Cece in einer bestimmten Art anstarren – nämlich mit übertrieben bedrohlicher Miene – und ihn warnen, ja aufzupassen.
    »Du kommst dir wohl besonders schlau vor, wie? Ich sage dir nur, pass bloß auf.«
    Wenn dann Cece seinen Blick erwiderte oder vielleicht auch nicht erwiderte, oder wenn er den Eierwender fallen ließ und klappernd hinlegte – oder sogar, wenn er umherschlich und sich besondere Mühe gab, nichts fallen zu lassen und kein Geräusch zu machen –, konnte es gut sein, dass sein Vater die Zähne fletschte und knurrte wie ein Hund. Eigentlich lächerlich – es
war
lächerlich, nur dass sein Vater es ernst meinte. Eine Minute später konnten Essen und Geschirr auf dem Fußboden liegen und Tisch und Stühle umgestürzt sein, und er konnte Cece rund durchs Zimmer jagen und brüllen, diesmal würde er ihn kriegen und sein Gesicht auf die heiße Herdplatte drücken, wie würde ihm das gefallen? Kein Zweifel, er war verrückt geworden. Aber wenn es in diesem Augenblick an die Tür klopfte – wenn zum Beispiel einer seiner Freunde kam, um ihn abzuholen –, dann glättete sich sein Gesicht im Nu, und er machte die Tür auf und rief mit lauter, zu Scherzen aufgelegter Stimme den Freund beim Namen.
    »Bin im Handumdrehen bei dir. Würde dich hereinbitten, aber die Frau hat wieder mit Geschirr um sich geschmissen.«
    Er erwartete nicht, dass ihm geglaubt wurde. Er sagte solche Dinge, um aus dem, was in seinem Haus passierte, einen Witz zu machen.
    Ceces Mutter fragte ihn, ob es draußen wärmer wurde und wo er am Vormittag gewesen war.
    »Ja«, sagte er, und: »In den Auen.«
    Sie sagte, sie habe schon gemerkt, dass er nach Wind roch.
    »Weißt du, was ich gleich nach dem Essen machen werde?«, sagte sie. »Ich werde mir eine Wärmflasche nehmen und mich gleich wieder hinlegen, vielleicht komme ich dann ja wieder zu Kräften und fühle mich gut genug, was zu tun.«
    Das war, was sie nahezu immer sagte, doch stets verkündete sie es wie eine Idee, die ihr eben erst gekommen war, ein hoffnungsvoller Entschluss.
     
    Bud Salter hatte zwei ältere Schwestern, die nie etwas Nützliches taten, außer seine Mutter zwang sie dazu. Und sie beschränkten ihre Beschäftigungen wie Haare frisieren, Nägel lackieren, Schuhe putzen, schminken oder sogar anziehen nie auf ihre Zimmer oder das Badezimmer. Sie verstreuten ihre Kämme und Lockenwickler und ihren Gesichtspuder und Nagellack und Schuhcreme über das ganze Haus. Außerdem beluden sie jede Stuhllehne mit ihren frisch gebügelten Kleidern und Blusen und breiteten Handtücher mit ihren trocknenden Pullovern auf nahezu jedem freien Stück Fußboden aus. (Dann schrien sie dich an, wenn du in die Nähe kamst.) Sie bezogen vor verschiedenen Spiegeln Stellung – vor dem Spiegel in der Flurgarderobe, dem Spiegel im Wohnzimmerbüfett und dem Spiegel neben der Küchentür mit dem Bord darunter, das immer voller Sicherheitsnadeln, Haarklammern, Kupfermünzen, Knöpfe und Bleistiftstummel lag. Manchmal stand eine von ihnen ungefähr zwanzig Minuten lang vor einem Spiegel und überprüfte sich aus verschiedenen Blickwinkeln, betrachtete ihre Zähne und zog ihre Haare nach hinten und schüttelte sie wieder vor. Dann ging sie, offenbar zufrieden oder zumindest fertig, fort – aber nur bis ins nächste Zimmer, bis zum nächsten Spiegel, wo sie wieder von vorn anfing, als hätte sie einen neuen Kopf geliefert bekommen.
    Gerade im Moment nahm sich seine ältere Schwester, die angeblich eine Schönheit war, vor dem Küchenspiegel die Nadeln aus dem Haar. Ihr Kopf saß voll mit glänzenden Wicklern wie Schnecken. Seine andere Schwester stampfte auf Anweisung
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