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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
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glühendes Stück Kohle. Er musste den Ring zurückgeben, jetzt gleich, er durfte nicht warten. Doch wenn er ihn zurückgab, musste er die ganze Wahrheit über seine Affäre mit Isabella beichten, und das brachte er nicht fertig. Er konnte es einfach nicht. Was war er nur für ein Feigling!
    Nachdem er Nina behandelt hatte, wollte er sie küssen und etwas Belangloses sagen, doch sie wich zurück und schaute ihm direkt in die Augen. »Du hast meine Frage vorhin nicht beantwortet, Liebster. Ist es Zufall oder nicht, dass du und Isabella am selben Tag verschwunden wart?«
    »Ich … ich …«
    »Du kannst es mir ruhig sagen. Sag mir alles, was dich bedrückt. Wir haben uns einmal geschworen, niemals Geheimnisse voreinander zu haben.«
    »Es ist so viel passiert, es ist so furchtbar viel passiert.«
    »Ja, das stimmt.« Nina nickte langsam. Sie wartete darauf, dass er weitersprach, doch sie wartete vergebens.
    Als nichts mehr folgte, blickte sie zur Seite, damit er nicht sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
     
     
     
    Er schritt hinüber in das Zimmer, wo Nella auf die kleine Jean achtgab, und sagte, nachdem er sein Töchterchen geherzt hatte: »Nella, ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, ohne dich wäre Tante Nina jetzt tot. Du hast klug und umsichtig gehandelt, du bist eine wunderbare junge Dame.«
    Nella sah ihn ernst an. »Du brauchst dich nicht zu bedanken, Onkel Vitus. Der liebe Gott hat das so gewollt.«
    »Ja, ja, das mag sein. Sag, gibt es irgendetwas, das du dir wünschst? Ich meine, kann ich dir mit irgendetwas eine Freude machen?«
    Nella zog die Stirn in Falten. Sie sah dabei sehr erwachsen aus. »Ja, vielleicht gibt es etwas, Onkel Vitus: Ich würde gern öfter auf Shorty reiten. Ich mag ihn sehr, und er mag mich auch.«
    »Shorty, ist das der kleine Shetlandhengst?«
    »Ja, er ist sehr brav.«
    »Ich schenke ihn dir, dann kannst du mit ihm ausreiten, sooft du willst.«
    »Oh, danke, Onkel, danke!« Nella flog in Vitus’ Arme und drückte ihm schmatzend einen Kuss auf die Wange. »Du bist der beste Onkel auf der Welt!«
    »Na, na, nun übertreibe mal nicht.« Er dachte, dass er mit Sicherheit nicht der beste Onkel auf der Welt war – und der beste Ehemann schon gar nicht.
    »Hast du was, Onkel Vitus?«
    »Nein. Warum sollte ich etwas haben?«
    »Ich dachte nur. Wenn du was hast, musst du es sagen, das sagt mein lieber Altlatz auch immer. Also sag’s.«
    Er schüttelte den Kopf und ging.
     
     
     
    Er trat aus dem Schloss und nahm den Weg zu dem Rondell, wo der Magister auf der Bank vor der alten Ligusterhecke saß und selbstvergessen mit fünf Bällen jonglierte. Er wollte vorbeigehen, doch der kleine Gelehrte brach sein Geschicklichkeitsspiel ab und sagte: »Weißt du noch, wie wir mit den Gauklern über Land nach Santander zogen? Lang, lang ist’s her, meine Hände waren damals weitaus geschmeidiger. Man rostet eben ein. Das Antipodieren mit zylindrischen Rollen traue ich mir schon gar nicht mehr zu.«
    »Niemand verlangt das von dir.«
    »Nanu, warum so ernst? Ist was, altes Unkraut?«
    »Nein.«
    »Nun setz dich schon, du hast doch was! Ich seh’s dir an der Nasenspitze an. Ist es wegen Nina? Machen dir ihre Verletzungen Sorgen? Ich sage dir …«
    »Es ist nicht wegen ihrer Verletzungen.«
    »Also wegen Nina selbst?«
    »Ja … nein … ach, ich weiß nicht.«
    »Nun aber heraus mit der Sprache! Deine Sorgen sind meine Sorgen!«
    Vitus kämpfte eine Zeitlang mit sich, dann murmelte er: »Es ist ja egal, irgendwann wird es sowieso herauskommen.«
    »Was?«
    »Meine Liebschaft mit Isabella.«
    »Isabella?« Der Magister stieß einen Pfiff aus. »Der Name klingt nach Rasse und Feuer. Wer ist sie? Los, erzähle.«
    Vitus fiel ein, dass der Freund nichts von der eigenwilligen Spanierin wissen konnte, zu lange waren sie beide getrennt gewesen. Er holte tief Luft und begann, die Geschichte von Anfang an zu erzählen. Es dauerte lange, bis er fertig war, auch deshalb, weil er zwischendurch immer wieder Pausen einlegen musste, um nicht die Fassung zu verlieren.
    Als er geendet hatte, sagte der Magister heftig blinzelnd: »Das ist etwas, das du dir so schnell wie möglich von der Seele reden solltest! Ich weiß, wie du leidest. Ich kenne dich. Andere würden mit einem Lachen darüber hinweggehen, aber dich trifft es bis ins Mark. Mache dem ein Ende. Gehe zu ihr, sie wird dich verstehen. Wenn sie dich liebt, wird sie dich verstehen. Du musst nur das erste Wort über die Lippen
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