Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
ein Wort unter vier Augen mit Nina. »Liebste«, hob er an, als sie allein waren, und nahm ihre Hand, »willst du mir nicht sagen, wie du vom Pferd gefallen bist? Ich meine, das passiert doch nicht einfach so. Du bist eine geübte Reiterin und noch nie vom Pferd gestürzt.«
    Nina presste die Lippen zusammen.
    Vitus spürte, dass viel mehr geschehen sein musste als ein einfacher Abwurf. »Wenn du es mir nicht sagen willst, ist es auch gut.«
    »Doch …«
    »Ja?« Er drückte ihr aufmunternd die Hand. »Erzähl mir alles in Ruhe, wenn du magst.«
    »Ich … ich war mit Hartford unterwegs.«
    »Mit Hartford, dem Diener? Wieso denn das?«
    Nina erzählte, wie es dazu gekommen war, und schilderte den Ritt bis zu
Mary’s Stool,
wo sie die Armada und ihn habe sehen wollen und der hinterhältige Hartford ihrem Hengst Telemach einen so brutalen Schlag auf die Hinterhand gegeben habe, dass er in Panik über die Böschung geprescht sei und sie abgeworfen habe. »Wir stürzten beide in die Tiefe, Telemach und ich, aber während das arme Tier sich unten am Strand das Genick brach, landete ich auf halbem Wege in einer vorstehenden Krüppelkiefer. Ich muss dem Gewächs dankbar sein, obwohl es mir den Arm brach und fast das Auge ausstach.«
    »Hartford, dieser Hundsfott!« Vitus drückte Ninas Hand unwillkürlich so fest, dass sie aufschrie.
    »Oh, verzeih mir, Liebste. Weißt du, warum dieser elende Lakai das getan hat? Ich meine, er hatte doch gar keinen Grund dazu?«
    Nina seufzte. »Hartford missbrauchte mein Vertrauen. Ich bin sicher, er wollte mich aus dem Weg schaffen. Deshalb war es mir auch nicht möglich, weiter in meinen Gemächern zu leben. Der Gedanke, dass Hartford nur wenige Kammern entfernt gewohnt hatte, war mir unerträglich.«
    »Das verstehe ich. Nun wird mir manches klar. Aber warum wollte Hartford dich aus dem Weg schaffen?«
    Nina ging nicht auf die Frage ein. »Wenn Nella nicht gewesen wäre, würde ich heute unter der Erde liegen. Ich wäre tot, mausetot.«
    »Nella?«
    »Sie ritt heimlich hinter Hartford und mir her, sie verfolgte uns, denn sie traute Hartford nicht. Sie ahnte, dass er etwas Schreckliches im Schilde führte. Als ich nach dem Sturz aus meiner Ohnmacht erwachte, hing ich in dem Kieferngewächs und hatte furchtbare Schmerzen. Hartford war natürlich nicht mehr da, aber Nella stand am Klippenrand und rief mir zu, ich solle keine Angst haben, sie würde Hilfe holen. In der Tat kam sie nach einer kleinen Ewigkeit mit einem alten Mann zurück. Der Alte erzählte, er heiße Hank und sei Bernsteinsammler und er würde einen Fischer namens Teddy Dunn holen. Eine weitere Ewigkeit später, mir waren in der Zwischenzeit wieder die Sinne geschwunden, kamen ein paar Männer mit Pferden, zwei von ihnen seilten sich zu mir ab, knüpften mich an ein Tauende und ließen mich dann von den anderen hochziehen. Und während der ganzen Zeit harrte Nella aus und sprach mir Mut zu. Sie ist ein prächtiges Mädchen, viel erwachsener, als ihr Alter es vermuten lässt.«
    »Ich werde mich nachher bei ihr bedanken. Aber Hartford, dieser Lump, kann was erleben! Ich werde ihn jagen, bis ich ihn gefunden habe und mit dem größten Vergnügen eigenhändig erwürgen!«
    »Das wird nicht nötig sein, Mylord.« In der Tür stand Catfield.
    »Catfield? Woher kommt Ihr denn so plötzlich?«
    »Verzeihung, Mylord, dass ich so hereinplatze. Ich habe mir nur erlaubt, Eure Kiepe zurück ins Schloss zu tragen. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr sie braucht.«
    »Das stimmt allerdings. Und was meintet Ihr eben mit Eurer Bemerkung über Hartford?«
    »Ich habe Hartford schon gejagt, Mylord. Ich wollte, dass er für seine Schandtat büßt.« Catfields Gesicht nahm einen finsteren Ausdruck an. »Ich bin noch am gleichen Tag zur Küste aufgebrochen, damit sein Vorsprung, falls er flüchten sollte, nicht zu groß würde. Aber meine Sorge war unbegründet, denn ich traf den alten Bernsteinsammler, und der zeigte mir eine Stelle im Wald, wo der Halunke sich versteckt hatte. Ich habe ihn festgenommen und nach allen Regeln der Kunst gefesselt. Er war nur noch ein Häufchen Elend, keine Spur mehr von seiner hochmütigen Art. Er stammelte immer wieder, er hätte niemals ein zweites Mal morden dürfen und er habe sein Leben verwirkt und so weiter. Dass er sein Leben verwirkt hat, habe ich ihm gern bestätigt. Ich wollte ihn zurück nach Greenvale Castle bringen, aber er flehte mich an, es nicht zu tun. Es wäre der letzte Wunsch auf dieser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher