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Die Lichtermagd

Die Lichtermagd

Titel: Die Lichtermagd
Autoren: Lena Falkenhagen
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den Anblick der Stadt in der Abendsonne genießen. Sie strahlte wieder jene Friedlichkeit aus, die er so schätzte.
    »Wir bieten Karl eine Hauptstadt. Eine Hauptstadt für sein Kaiserreich.«

KAPITEL 2
    Träumst du?«
    Luzinde kniff die Augen zusammen, schüttelte fast unmerklich den Kopf und starrte weiter ins Wasser. Kaum die Lippen bewegend erwiderte sie leise: »Ich träume nie, das weißt du doch. Gleich ist er drin!«
    Auf dem schlierigen Wasser spiegelte sich die warme Nachmittagssonne dieses Tages im späten August das Jahres 1349. Luzinde war, als blicke sie in einen zerschlagenen Spiegel. Die Wellen verzerrten die Spiegelung ihres eigenwilligen Gesichtes: die dunklen Augenbrauen, das herzförmige Antlitz mit den eng stehenden, leuchtenden Augen, die um einVielfaches blauer waren als das Wasser des Teiches. An einem Lederband um ihren Hals hing ein geprägtes Amulett. Die gewölbte Metallscheibe zeigte eine Frau mit Lichterkranz im Haar – die Heilige Luzia, ihre Namenspatronin.
    Luzinde blies eine dunkelbraune Strähne aus dem Gesicht, um die Reuse besser erkennen zu können, deretwegen sie, den Saum ihres schlichten braunen Obergewandes in den Gürtel gerafft, mit nackten Füßen bis zu den Oberschenkeln in einen der Fischteiche des Beginenhofes Pillenreuth gewatet war. In endloser Geduld verharrte sie dort. Und tatsächlich, irgendwann zerbrachen kleine Wellen Luzindes Bild auf der Oberfläche. Darunter sah sie einen graubraun schimmernden Karpfen, dessen spindelförmiger Leib sich langsam zwischen die Stäbe der Reuse schob.
    »Hab ich dich«, lächelte Luzinde und griff in das angenehm kühleWasser, das auf ihren bloßen Beinen prickelte. Sie zog die
Reuse an die Oberfläche. Darin lag der Fisch und schnappte vor sich hin. Sie entfernte den Stift aus demVerschluss des kleinen Türchens und ließ den Karpfen in den Korb gleiten, der halb im Wasser stand. Darin zappelten bereits ein paar andere, die sie aus den Reusen der Pillenreuther Teiche eingesammelt hatte, konnten über die hohen Wände aus geflochtenen Weidenruten jedoch nicht entkommen, die über die Wasseroberfläche ragten. So blieb der Fisch frisch und kam unverdorben auf die Tafel des Beginenhofes, wo Luzinde und Anna als Mägde dienten.
    »Warum träumst du nicht?«, fragte der kleine Thomas, dessen blondes Haar noch feucht schimmerte.Während die Mägde arbeiteten, spielte Annas fünfjähriger Sohn am Teich. Er war nass geworden, und so hing sein Kittel zum Trocknen über einem der nahen Büsche.
    Die Frage traf Luzinde unerwartet. Im Umgang mit dem Kleinen fühlte sie sich stets befangen. Dabei mochte sie ihn doch. Trotzdem schien sie nie die richtigen Worte zu finden, wenn sie sich mit ihm beschäftigte. »Weil -«, wie sollte sie ihm das erklären? Sie hatte niemals beschlossen, dass sie nicht mehr träumen wollte, es war einfach geschehen. »Weil Träume einem Menschen falsche Hoffnungen machen. Und wenn man sie nicht erreicht, dann – ja dann tut das sehr weh.« Luzinde berührte ihren Heiligenanhänger. Sie wusste, wovon sie sprach. Doch sie machte eine tapfere Miene und klappte den Deckel des Fischkorbes zu. »Das wird ein Festmahl!«, verkündete sie mit falscher Fröhlichkeit. Sie wischte sich die Stirn mit dem feuchten Kopftuch ab, das ihren Scheitel vor der Sonne schützte.
    »Aber die Meisterin und die Biginen essen uns doch alles weg«, nörgelte Thomas. »Können wir nicht einfach einen behalten, damit mehr für uns übrig bleibt?« Er blinzelte in kindlicher Unschuld in das Sonnenlicht.

    Luzinde warf ihm einen schrägen Blick zu und watete aus dem Wasser heraus. Dabei warf sie sich die langen welligen Haare über die Schulter, die sie offen trug, wann immer sie sich außer Sicht der Beginen befand. Die hielten sie für eine Witwe. Und von Witwen erwartete man natürlich, dass sie die Haare unter Hauben wegflochten. Doch Luzinde trug ihre dunkle Pracht gerne offen.
    »Die Frauen heißen ›Beginen‹, Thomas. Und sicher können wir das. Dann musst du nur noch die Köchin einweihen, die den Fisch kocht und sicher auch etwas davon haben will; und vielleicht die Waltraud, die die Tafel bei der Meisterin aufträgt, und ihr erklären, warum so wenig Fisch da ist. Damit bleibt für uns drei wieder kaum mehr ein Happen.Vielleicht sollten wir gleich zwei behalten?«
    »Setz meinem Sohn keine Flausen in den Kopf«, schalt die ältere Magd besorgt. Anna trug ihr Tuch trotz der Wärme um Haar und Hals geschlungen, wie es sich
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