Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)

Titel: Die lichten Reiche: Band 1: Harfe und Schwert (German Edition)
Autoren: Smila Spielmann
Vom Netzwerk:
Entschlossen verdrängte sie solche Gedanken. Sie erinnerte sich an etwas, was Meister Martim vor langer Zeit zu ihr gesagt hatte:
    „ Du hast zweifelsohne Talent, Crystal, doch merke dir eins – einen wirklichen Meister erkennt man nicht an seiner Fingerfertigkeit oder seiner klaren Stimme. All das ist wichtig, doch es kann durch Übung errungen werden. Wäre es so einfach, dann wäre das Singen der alten Lieder keine Kunst, sondern nur ein Handwerk. Nein, einen wirklich guten Barden erkennst du an seiner Fähigkeit zur Sehnsucht. Nur wer sich aus ganzem Herzen nach dem Licht sehnt, schafft es Bilder von wunderbarer Eindringlichkeit zu singen, Klagen zu ersinnen, die einem das Herz brechen und Mahnungen zu schaffen, die so deutlich sind, dass keiner sie je vergisst.“
    Crystal hatte den Weg, den sie eingeschlagen hatte, nie bereut. Ohne ihre Harfe fühlte sie sich kaum wie ein ganzer Mensch, doch die Verantwortung, die sie als Liedsängerin trug, lastete manchmal schwer auf ihr. Wie sollte sie den Menschen die Veränderungen erklären, die sie selbst kaum verstand?
    Ein leises Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren. Unwillkürlich versteifte sie sich, als sie Lord Thorben erkannte. Wut stieg in ihr hoch. Er kannte ihren Wunsch nach Einsamkeit, der sie jedes Mal überkam, nachdem sie vorgespielt hatte – warum also respektierte er ihn nicht? Unwillkürlich straffte sie die Schultern. Sie war ziemlich groß für eine Frau und daran gewohnt Andere zu überragen, doch dass sie größer als Thorben war, bereitete ihr stille Freude.
    „ Euer Spiel war wie immer bezaubernd“, meinte er und trat näher an sie heran als es schicklich gewesen wäre.
    Crystal versuchte zurückzuweichen, doch das steinerne Balkongeländer verhinderte es. „Ich danke Euch. Ich merke gerade, dass es schon spät geworden ist und dass ich mich zurückziehen sollte.“
    Thorben nickte und Crystal wollte schon befreit aufatmen, als er plötzlich nach ihren Händen griff. „Was ich Euch sagen möchte wird nicht lange dauern.“ Crystal hatte Mühe die Augen nicht gequält zu verdrehen. Nicht schon wieder! Thorben strich mit seinen Daumen über ihre Handflächen, in einer Geste, die – wie Crystal vermutete – zärtlich sein sollte. Die Wirkung wurde allerdings verdorben, da sie spürte, dass seine Hände vor Aufregung feucht waren. Sie versuchte ihm ihre Hände zu entziehen, doch er hielt sie fest und zog sie nur näher zu sich. „Lady Crystal, Ihr müsst mich anhören. Ihr wisst, was mein Herz begehrt.“ Er stand jetzt so nahe bei ihr, dass sein Atem ihre Wange streifte.
    Panik erfasste sie. „Lasst mich gehen, Lord Thorben.“ Zu ihrer Schande merkte sie, dass ihre sonst so sichere Stimme zitterte.
    „ Crystal“, raunte er in ihr Ohr. „Deine Musik spricht direkt zu meinem Herzen. Ich weiß, dass du noch sehr jung bist, doch du musst keine Angst haben.“
    Crystal zuckte erschrocken zusammen, als sie seinen Mund an ihrem Ohr spürte. „Ihr missversteht mich!“, rief sie aufgebracht. Sie hatte sich seine Unverfrorenheit jetzt lange genug bieten lassen. Erbost stieß sie ihn von sich und eilte mit schwingenden Röcken in Richtung ihres Gemaches davon.
     
    Über den Feldern Kornthals versank die Sonne und tauchte den Weizen in sanftes, rotes Licht, doch Thorben hatte keinen Blick für die Schönheit der Natur, als er – wie von den Dunklen gehetzt – in den Stall lief und dort einen der Stalljungen anfuhr, dass er ihm sein Pferd satteln sollte. Er konnte sehen, wie ihn der Junge einen Moment lang erstaunt und verschreckt ansah, bevor er sich davonmachte um den Befehl auszuführen. Thorben bebte vor unterdrückter Wut. Er hatte sich zum Narren gemacht. Was hatte sie nur an sich, das ihn wieder und wieder seinen Stolz vergessen ließ? Als der Junge zurückkehrte, riss er ihm ungeduldig die Zügel aus der Hand und schwang sich in den Sattel seines Wallachs. Das Tier spürte die Aufregung seines Herrn und begann nervös zu tänzeln. Thorben zog unsanft an den Zügeln und brachte sein Pferd mühsam unter Kontrolle. Er ließ den ratlosen Stalljungen zurück, als er seinem Pferd die Sporen gab und in Richtung Feldstadt davon ritt. Thorben ließ die Zügel schießen und erlaubte seinem Pferd in einen schnellen Galopp zu fallen. Er würde Rhys erklären müssen, warum er so überstürzt abgereist war, dachte er ärgerlich. Andererseits konnte sich sein Freund den Grund vermutlich denken. Immerhin kannte er Crystals unbändiges Wesen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher