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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Zappeln der von den Wogen auf dem Sande zurückgelassenen Seethiere und durch den Fall der schweren Steine, die der Berg bis in das Meer hineinschleuderte, so sehr erschreckt, daß sie wieder auf das Land zurückkehrten, das einen weniger furchtbaren Anblick darbot, als die See. Die beiden Menschenströme, von denen der eine seewärts, der andere von er See zurückflutete, waren also zusammengestoßen, und fanden in der großen Anzahl der von der Furcht und Verzweiflung Ergriffenen einen thörichten Trost.
    »Die Welt soll durch Feuer zerstört werden,« sagte ein alter Mann in langen Kleidern, ein Philosoph aus der stoischen Schule. »Stoische und epikuräische Weisheit haben in dieser Vorhersagung übereingestimmt, und die Stunde ist gekommen.«
    »Ja, die Stunde ist gekommen!« rief eine laute, feierliche, aber feste, unerschrockene Stimme.
    Die Umstehenden schauten sich staunend um. Es war die Stimme des Olinth, der in der Mitte seiner christlichen Brüder auf einer jähen Anhöhe stand, auf welcher die alten griechischen Kolonisten dem Apollo einen, jetzt halb zerstörten, Tempel erbaut hatten.
    Als er noch sprach, trat plötzlich jene Helle ein, welche den Tod des Arbaces verkündet hatte. Als sie die gewaltige, athemlose, erschrockene Menschenmenge beleuchtete, da sah man nie auf Erden so viele bleiche, gespensterhafte Gesichter; nie fand eine Versammlung sterblicher Wesen statt, die gleich dieser den Stempel des Schreckens und der Erhabenheit trug, und nie bis zum letzten Posaunenschall wird eine solche Versammlung wieder stattfinden! Über ihren Häuptern erhob sich die Gestalt des Olinth, mit ausgestrecktem Arme und prophetischer Stirne, umgürtet mit dem lebendigen Feuer. Das Volk erkannte das Antlitz Dessen, den sie den Krallen des Tigers hatten übergeben wollen – damals ihr Schlachtopfer, jetzt ihr warnender Seher; und durch die Stille vernahm man abermals seine verhängnisvolle Stimme: »Die Stunde ist gekommen!«
    Die Christen wiederholten diesen Ruf. Auf allen Seiten hallte derselbe wieder; Männer, Weiber, Kinder und Greise murmelten mit leiser, dumpfer Stimme: » Die Stunde ist gekommen! «
    In diesem Augenblicke ward die Luft von einem wilden Geheul erschüttert: der furchtbare Tiger aus der afrikanischen Wüste rannte, nur auf seine Flucht denkend, durch die überall vor ihm zurückweichende Menschenmenge. Hierauf folgte das Erdbeben und dann trat abermals dichte Finsternis ein.
    Jetzt kamen neue Flüchtlinge an. Mit den, nicht länger für ihren Herrn bestimmten, Schätzen beladen, stürzen die Sklaven des Arbaces zu der versammelten Volksmenge. Von ihren Fackeln brannte nur noch eine. Sosia trug dieselbe, und als auch ihr Schein auf das Antlitz Nydia's fiel, erkannte er die Thessalierin.
    »Welchen Nutzen hat jetzt Deine Freiheit, blindes Mädchen?« sagte der Sklave.
    »Wer bist Du – Weißt Du nichts von Glaukus?«
    »Ja, ich sah ihn erst vor wenigen Minuten.«
    »Gesegnet sei Dein Haupt! Wo?«
    »Unter dem Bogen auf dem Forum liegend, todt oder sterbend. Er wird wohl den Arbaces aufsuchen, der auch nicht mehr ist.«
    Nydia sprach kein Wort, sondern schlich von der Seite Sallust's hinweg, schritt schweigend durch die Volksmasse und kehrte nach der Stadt zurück. Sie kam auf das Forum und zu dem Bogen: sie beugte sich nieder, sie fühlte ringsumher und rief den Namen des Glaukus.
    Eine schwache Stimme antwortete: »Wer ruft mich? Ist es die Stimme der Schatten? Wohlan! ich bin bereit.«
    »Stehe auf! Folge mir! Nimm meine Hand! Glaukus, Du sollst gerettet werden!«
    Erstaunt und von neuer Hoffnung belebt, erhob sich Glaukus mit den Worten: »Nydia! Du bist also doch noch wohlbehalten!«
    Die zärtliche Freude, welche in seiner Stimme lag, that dem Herzen der armen Thessalierin unendlich wohl, und sie segnete ihn dafür, daß er ihrer gedachte.
    Ione halb führend, halb führend, folgte Glaukus dem blinden Mädchen. Mit bewunderungswürdiger Vorsicht vermied sie den Pfad, welcher zu dem so eben von ihr verlassenen Volkshaufen führte, und suchte auf einem andern Wege das Ufer.
    Nach unglaublicher Anstrengung, wobei sie öfters ausruhten, gelangte die kleine Gesellschaft ans Meer, und fand dort eine Gruppe, welche, kühner als die Übrigen, fest entschlossen war, lieber jeder Gefahr auf dem Wasser zu trotzen, als noch länger unter den Scenen des Schreckens zu verweilen. In der Finsternis schifften sie sich ein; als sie aber beim Abfahren noch einmal nach dem Berge schauten, verbreiteten
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