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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Oberfläche des Bodens eine schmutzig weiße Farbe. An andern Orten lagen große Stein- und Aschenhaufen, unter denen man öfters die halbbedeckten Glieder eines verschütteten und zerschmetterten Flüchtlings gewahrte. Die Seufzer der Sterbenden wurden bald in der Nähe, bald in der Ferne, durch das Jammergeschrei von Weibern unterbrochen, welches, zumal in der dichten Finsternis wegen des niederschlagenden Gefühls der Hülflosigkeit und Unbekanntschaft mit den sie rings umgebenden Gefahren einen herzdurchbohrenden Ausdruck hatte. Alles aber wurde durch das furchtbare Toben des unheilvollen Berges, durch seine brausenden Winde, seine Wasserwirbel, so wie durch seine von Zeit zu Zeit erfolgenden, wilden Explosionen übertäubt. So oft die Windstöße durch die Straßen heulten, führten sie immer einen glühenden Staub, und so erstickende giftige Dämpfe mit sich, daß den Unglücklichen, welche ihnen ausgesetzt waren, für einen Augenblick Athem und Bewußtsein entzogen wurde, und das stockende Blut, wenn es wieder in Gang kam, fieberhaft durch die Adern rollte, was ein Zittern in allen Nerven verursachte.
    »O Glaukus, mein Geliebter, mein Einziger, nimm mich in Deine Arme! Schling' Deine Arme um mich und lass' mich sterben an Deiner Brust; ich kann nicht weiter!«
    »Fasse Muth, theuerste Ione! Mein Leben ist eng mit dem Deinigen verknüpft; sieh, Fackeln kommen gegen uns! Wie sie dem Winde trotzen; ha, der Sturm belebt sie! Ohne Zweifel sind es Flüchtlinge, die zur See eilen! Wir wollen uns ihnen anschließen!«
    Zum Troste der Geliebten ließen der Wind und der Aschenregen plötzlich nach! in der Atmosphäre herrschte eine tiefe Stille; der Berg schien zu ruhen, vielleicht wollte er nur frische Kräfte zu einem neuen Ausbruche sammeln; die Fackelträger kamen rasch voran.
    »Wir nähern uns der See,« sagte mit ruhiger Stimme der Mann, welcher der Gruppe vorausging; »Freiheit und Reichthum jedem Sklaven, der diesen Tag überlebt! Muth! Muth! Ich kann Euch versichern, daß die Götter selbst mir Rettung verheißen haben. – Vorwärts!«
    Der hellrothe Fackelschein fiel jetzt dem Glaukus und der Ione, welche zitternd und erschöpft an seinem Busen lag, gerade ins Gesicht. Mehre Sklaven trugen schwer beladene Kisten und Koffer; und an ihrer Spitze sah man, mit gezogenem Schwerte in der Hand, die hohe Gestalt des Arbaces einherschreiten.
    »Bei meinen Vätern!« rief der Egypter, »das Schicksal lächelt mir selbst unter den Schrecknissen des heutigen Tags, und durch die schauervollen Scenen von Elend und Tod leitet mich sicher das Glück und die Liebe. Hinweg, Grieche! Ich fordere meine Mündel Ione zurück!«
    »Verräther und Mörder!« entgegnete Glaukus, seinen Feind anstarrend, »Nemesis hat Dich in meine rächenden Hände geführt, als ein willkommenes Opfer für die Schatten des Hades, der jetzt gegen die Erde losgelassen zu sein scheint. Wagst Du es, auch Ione's Hand zu berühren, so will ich Deine Waffe wie ein schwaches Rohr zerbrechen und Dich, Glied um Glied zerreißen!«
    Als er so sprach, wurde plötzlich der Platz durch eine röthliche Gluth erleuchtet. Der Berg erschien in der Finsternis, welche ihn von allen Seiten gleich den Wänden der Unterwelt umgab, wie ein riesiger Scheiterhaufen. Sein Gipfel schien entzwei gespalten; oder vielmehr, es war, als ob auf seiner Oberfläche zwei ungeheure Dämonen gegen einander um eine Welt kämpften. Sie stunden in einem bluthrothen Feuer, welches die ganze Atmosphäre nach allein Seiten hin erleuchtete; aber unten am Fuße des Berges herrschte tiefe Finsternis, außer an drei Stellen, wo Bäche geschmolzener Lava [Fußnote: Ueber die Art und Weise des Untergangs von Pompeji sind schon verschiedene Theorien aufgestellt worden; ich habe diejenige angenommen, welche bei einer genauen Besichtigung der Oertlichkeit dem gesunden Verstand am meisten zusagt, und auch von jeher den größten Beifall fand, nämlich die Zerstörung durch Asche und siedendes Wasser, vermischt mit dem Auswurfe großer Steine. Auch das Erdbeben trug Vieles bei. Herkulanum aber scheint nicht bloß mit Asche bedeckt, sondern auch mit glühender Lava überflutet worden zu sein; die in dem Texte erwähnten Lavaströme müssen daher mehr als dieser Stadt geltend betrachtet werden. Das vulkanische Blitze stattfanden, läßt sich leicht aus dem Zustande mehrer Ruinen nachweisen. Papyrus und andere Stoffe von leicht entzündbarer Natur wurden in einem versengten Zustande gefunden. Einige
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