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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong
Autoren: John Burdett
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Bitte bleiben Sie heute abend zu Hause, falls jemand mit Ihnen sprechen will.«
    Als Chan weg war, bat Riley bei Ronald Tsui, Hongkongs erstem chinesischem Commissioner of Police, um einen sofortigen Termin für eine Unterredung, der ihm auch gewährt wurde.
    Eine halbe Stunde später saß Riley an einem riesigen Schreibtisch im größten Büro des Polizeipräsidiums in der Arsenal Street. Auf der anderen Seite hatte Commissioner Tsui unter einem Ölgemälde der Königin von England auf einem Ledersessel Platz genommen. Tsui hatte seine Ausbildung in England genossen und konnte sich deshalb mit Riley in dessen Muttersprache unterhalten.
    »Sie sagen also, die Leute von der Küstenwache hatten Anweisung, den Sack mit dem belastenden Inhalt abzufangen?«
    »Yessir.«
    »Ein merkwürdiger Zufall, finden Sie nicht auch? Ich meine, Chief Inspector Chan folgt zufällig einer Spur, die ihn zufällig zur gleichen Zeit wie diese Burschen zu den Soko Islands führt?«
    Riley sah den Schreibtisch an, dann den Commissioner. Ihr Spielchen war eine Art Doppelbluff, wie er inzwischen in allen politischen Belangen üblich war. Tsui wußte, daß die Leute von der Küstenwache sich ganz bewußt in Chans Suche eingemischt hatten, doch er wollte diese Behauptung als die Rileys, nicht als seine eigene ausgeben. Riley wiederum wollte sie als die Chans ausgeben, nicht als die seine.
    »Ich glaube, ich habe Ihnen schon gesagt, Commissioner, daß es nach Ansicht von Chan eine Reihe anderer Versuche Außenstehender gegeben hat, sich in die Ermittlungen zu diesen Mordfällen einzumischen.«
    Tsui nickte. »Ja, das haben Sie. Zumindest haben Sie mich davon überzeugt, daß er Sie davon überzeugt hat, daß jemand sein Bürotelefon angezapft und einige der vertraulichen Akten zu diesem Fall kopiert hat.«
    »Nun, wenn diese Außenstehenden sich die Mühe gemacht haben, eines unserer Telefone anzuzapfen, wie er behauptet, und was beträchtliche technische Probleme für die Betreffenden mit sich gebracht haben dürfte, ist es auch nicht so weit hergeholt, sich vorzustellen, daß sie Chans Funkverkehr ebenfalls abgehört haben. Das kann praktisch jeder, dem es gelingt, die richtige Frequenz zu finden.«
    Tsui nickte. »Und?«
    »Ich nehme an, Sie verstehen, was das bedeutet, Sir. Wenn der Funkverkehr tatsächlich abgehört wurde, war es leicht, einem Boot der kommunistischen Küstenwache Anweisung zu geben, die Augen offenzuhalten und besonders auf Dinge zu achten, die jemand aus dem Meer fischt.«
    »So sehen Sie die Sache?«
    »So sieht Chan sie.«
    Tsui sah aus, als ziehe er diese Möglichkeit zum erstenmal in Betracht. »Ich glaube, ich kann Ihnen so weit folgen, Chief Superintendent. Aber eins verwirrt mich immer noch: Wenn die Leute von der Küstenwache tatsächlich solche Anweisungen hatten, warum haben sie ihn dann laufenlassen?«
    »Erstens waren sie sich nicht sicher, in welchen Gewässern sie sich befanden, in unseren oder ihren. Er hat es geschafft, sie zu bluffen. Zweitens, und das ist der wichtigere Grund, waren das keine ehrgeizigen Militärkader, die voller Eifer die nationale Sicherheit wahren. Chan hat sie als die üblichen uniformierten Rowdys beschrieben, die für die richtige Summe alles verraten würden.«
    Der Commissioner seufzte. »Ich muß das weiterleiten, den Politischen Berater informieren.«
    Da mit war das Gespräch zu Ende. Riley stand auf. »Yessir«, sagte er auf Englisch, wiederholte das gleiche noch einmal auf Kantonesisch, drehte sich abrupt um und ging.
    Nachdem Riley den Raum verlassen hatte, blieb der Commissioner einen Augenblick lang sitzen. Er tippte mit dem Zeigefinger auf seinen Löschpapierblock und nahm dann den Telefonhörer von der Gabel.
    »Verbinden Sie mich mit dem Commissioner for Security. Und danach muß ich mit dem Politischen Berater sprechen. Außerdem brauche ich eine Kurzfassung von Chief Inspector S. T. Chans Personalakte, bitte.«

VIER
    Das Polizeipräsidium in der Arsenal Street lag nur ein paar Gehminuten von Wanchai entfernt, wo Chan seine Ausbildung zum Polizisten gemacht hatte. Oberflächlich betrachtet war die Gegend ein international bekannter Rotlichtbezirk, doch Chan kannte auch ihre anderen Seiten. Er mochte die altmodischen niedrigen Wohnblocks in den engen Seitenstraßen mit ihrem Chaos aus Dunstabzügen, Dachgärten, illegal gebauten Balkonen, Drahtvogelhäusern und Satellitenschüsseln. In einer kleinen Straße füllte er seine Lunge mit chinesischen Gerüchen. Jedes
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