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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
Autoren: Kimberly McCreight
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Fakultät der University of Chicago. Zuerst die Karriere, Kinder nur, falls dafür die Zeit reichte.
    Aber ihr Leben hatte sich anders entwickelt. Und am Ende hatte sie keinen der » Lösungsvorschläge « angenommen, die Gretchen ihr aufgedrängt hatte, um ihre » bedauerliche Situation « zu » regeln « . Zwar bewunderte Kate den beruflichen Erfolg ihrer Mutter, doch abgesehen davon gab es nichts an Gretchen, das sie für nachahmenswert hielt. Im Gegenteil, Kate betrachtete ihre Schwangerschaft als Zeichen und als Chance.
    Mutter zu sein war natürlich anstrengend gewesen, vor allem als Alleinerziehende mit vierundzwanzig mitten im Jurastudium. Aber sie und Amelia hatten überlebt. Ihre Rettung war Leelah gewesen, die Kinderfrau, die sich fünfzehn Jahre lang um Amelia gekümmert hatte. Ihre Warmherzigkeit und ihre herausragenden Kochkünste hatten ihnen geholfen, den Alltag zu meistern. Mit großem Bedauern hatte Kate Leelahs Stunden gekürzt, so dass sie jetzt nur noch zum Kochen und Putzen kam, während Amelia in der Schule war. Schon seit dem vergangenen Herbst hatte Amelia ihr damit in den Ohren gelegen, sie brauche keine Kinderfrau mehr, und schließlich hatte Kate ihrer Tochter nichts mehr entgegensetzen können. Doch Leelah fehlte ihnen beiden. Amelia mehr, als sie zugeben wollte, und Kate manchmal so sehr, dass sie es kaum ertragen konnte.
    Kate blieb stehen, als die beiden Frauen vor ihr die Straße überquerten, dann folgte sie ihnen die Garfield Street hinunter. Sie betrachtete die schlanken Hüften der Frauen, die beide Leggins trugen, und die im Rhythmus schwingenden Pferdeschwänze.
    » Sieh mal da, die ganzen Feuerwehrwagen! « , rief eine der beiden Frauen aus und blieb so plötzlich stehen, dass Kate beinahe mit ihrem perfekt gestylten Hintern kollidiert wäre. » Stehen die vor der Schule? «
    » Gott, hoffentlich nicht « , sagte die andere und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. » Auf jeden Fall scheinen sie’s nicht eilig zu haben. Vielleicht war es ja ein falscher Alarm. «
    Kate sah die Feuerwehrwagen, die die halbe Garfield Street blockierten– direkt vor dem Eingang der Grace-Hall-HighSchool, einer alten, herrschaftlichen Villa, die aussah wie eine öffentliche Bibliothek. Mehrere Polizeiwagen parkten vor der angrenzenden Grundschule. Die Feuerwehrleute standen in Grüppchen auf dem Gehweg, einige an ihre Fahrzeuge gelehnt, und plauderten entspannt.
    Auch ein Krankenwagen stand da, mit ausgeschaltetem Blaulicht und geschlossenen Türen. Falls es einen Brand oder einen Notfall gegeben hatte, war jetzt alles vorbei. Oder es war einfach nur falscher Alarm gewesen.
    Es konnte doch nicht sein, dass Amelia den Feueralarm ausgelöst hatte, oder? Nein, so etwas machten nur Kriminelle. Egal, was Amelias Launenhaftigkeit in letzter Zeit verursacht hatte, egal, was sie auf die Schnapsidee gebracht hatte, als Austauschschülerin für ein halbes Jahr nach Paris zu gehen, und egal, in welche Existenzkrise sie die Frage nach ihrem Vater gestürzt hatte, sie würde sich nie, niemals zu einer Straftat hinreißen lassen.
    Kate holte tief Luft und atmete hörbar aus, worauf die große Frau, die vor ihr stand, zusammenzuckte und sich umdrehte. Sie zog ihre engelsgesichtige kleine Tochter in der pinkfarbenen Daunenweste dichter an sich. Kate lächelte die Frau verlegen an und machte einen Schritt zur Seite. Sie reckte den Hals, um an dem Krankenwagen vorbeizulugen. Sie sah einen uniformierten Polizisten, der sich mit einer älteren, grauhaarigen Frau in einem langen braunen Pullover unterhielt. Die Frau hielt einen winzigen, zitternden Hund an der Leine und hatte sich fest mit den Armen umschlungen. Wegen eines Feueralarms führte die Polizei keine Befragungen durch. Kate schaute zu den Fenstern der Klassenzimmer hoch. Wo waren die Schüler überhaupt? Die müssten sich doch alle an den Fenstern drängeln, um zu sehen, was da unten vor sich ging. Kate näherte sich wie magisch angezogen.
    » Sie haben also als Erstes den Schrei gehört? « , fragte der Polizist die grauhaarige Frau. » Oder war es das Geräusch? «
    Schrei. Geräusch. Zwei Polizisten kamen aus dem Haupteingang der Schule, gingen die Stufen hinunter und bogen in den Hof ein. Als Kate ihnen nachschaute, erkannte sie, dass sich dort offenbar das eigentliche Geschehen abspielte. Mindestens ein Dutzend Polizisten stand dicht gedrängt zusammen. Aber auch dort schien niemand es eilig zu haben. Was ihr plötzlich nicht
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