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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)
Autoren: Kimberly McCreight
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Europa war etwas anderes. In diesem Fall hatte sie nicht vor nachzugeben, bloß weil es das Einfachste war. Auch wenn es wirklich viel, viel einfacher gewesen wäre.
    » Was spielt das schon für eine Rolle? « Amelia schnaubte verächtlich. » Du bist doch sowieso nie da. «
    Normalerweise beklagte sich Amelia nicht über Kates lange Arbeitstage. Kate hatte immer angenommen– oder eher gehofft–, der Grund dafür sei die Tatsache, dass Amelia nichts anderes kannte als das Leben mit einer alleinerziehenden Mutter, deren Beruf sie stark beanspruchte. Trotzdem musste Kate damit rechnen, dass es Leerräume in Amelias Leben gab, egal wie sehr sie sich bemühte, sie mit Liebe zu füllen.
    » Amelia, das ist nicht fair. Außerdem macht man ein Auslandssemester, wenn man auf dem College ist. Du gehst immer noch auf die Highschool. «
    » Da lerne ich bestimmt eine ganze Menge. «
    Kate schaute ihre Tochter an in der Hoffnung, ein verschmitztes Lächeln in ihren Augen entdecken zu können. Aber da war nichts. Sie meinte es vollkommen ernst.
    » Amelia, ich wünschte wirklich, ich könnte meine Besprechung einfach absagen und hierbleiben, um das auszudiskutieren « , hatte Kate gesagt, und sie hatte es ernst gemeint. » Aber das geht leider nicht, ehrlich. Können wir uns bitte weiter darüber unterhalten, wenn ich heute Abend nach Hause komme? «
    » Sag einfach Ja, Mom! « , hatte Amelia zu Kates Verblüffung plötzlich geschrien. Amelia war kein Typ, der andere Leute anschrie, erst recht nicht ihre Mutter. » Es ist gar nicht schwer: Ja. Einfach so. «
    Es ist so weit, hatte Kate gedacht. Jetzt ist sie offiziell ein Teenager. Von jetzt an heißt es, sie gegen mich, nicht mehr wir gegen den Rest der Welt.
    Das Schlimmste war, dass Kate am Abend zu spät nach Hause gekommen war – schon wieder, wie immer –, um noch über das Auslandssemester zu reden. Aber am nächsten Morgen – diesem Morgen – war sie zu dem Gespräch bereit gewesen. Sie war sogar extra ein bisschen früher aufgestanden – obwohl die Sitzung mit Victor überaus anstrengend zu werden versprach –, um mit Amelia in aller Ruhe über Paris sprechen zu können. Sie hatte sich vorgenommen, bei ihrem Nein zu bleiben, dafür aber anzubieten, über Weihnachten mit ihrer Tochter nach Paris zu fliegen. Sie hatte sich vorgenommen, sich dafür zu entschuldigen, dass sie so wenig zu Hause war, vor allem in letzter Zeit. Das gemeinsame Abendessen jeden Freitag und den sonntagabendlichen gemeinsamen Filmabend versuchte sie nach wie vor beizubehalten, aber gemeinsame Wochenendausflüge gab es leider immer weniger.
    Schon seit Amelia klein war, hatte Kate Wert darauf gelegt, jedes Wochenende etwas Besonderes zu unternehmen– ein Broadway Musical, eine Ausstellung im Metropolitan Museum, das Kirschblütenfest im Botanischen Garten von Brooklyn oder die Mermaid Parade auf Coney Island. Aber es wurde immer schwieriger, seit Kate an dem komplizierten Fall der Associated Mutual Bank arbeitete und Amelia zunehmend eigene Verpflichtungen hatte– die Feldhockey-Mannschaft der Schule, die Französisch- AG , die ehrenamtliche Arbeit in der Suppenküche, Verabredungen mit Freunden. Sie schien dauernd irgendwohin unterwegs zu sein.
    Kate stand an der Waggontür und betrachtete ihr müdes Gesicht, das sich in dem langen, schmalen Fenster spiegelte, als aus den Lautsprechern über ihr eine Durchsage kam.
    » Bitte haben Sie noch etwas Geduld « , sagte die Computerstimme. » Die Fahrt wird in Kürze fortgesetzt. «
    Am Ende hatte an dem Morgen gar kein Gespräch mit Amelia stattgefunden, weder über ihre Arbeit noch über Paris noch über irgendein anderes Thema. Amelia war einfach gutgelaunt die Treppe heruntergekommen und hatte verkündet, sie habe sich das mit Paris anders überlegt.
    Jetzt kam der plötzliche Sinneswandel Kate natürlich verdächtig vor. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Amelia etwas angestellt haben sollte, was eine Suspendierung rechtfertigte. Aber so launenhaft, wie sie sich in den vergangenen Tagen aufgeführt hatte, schien es immerhin möglich zu sein, dass sie etwas getan hatte, was nicht ganz in Ordnung war.
    Kate schaute noch einmal auf ihre Uhr. Eine Stunde und zehn Minuten über die Zeit. Mist. Sie war eine schreckliche Mutter. Es war einfach zu viel. Sie musste ihren stressigen Job mit den Pflichten als alleinerziehende Mutter in Einklang bringen und durfte sich nicht den geringsten Fehler leisten. Es gab auch andere Jobs für Juristen,
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