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Die letzte Nacht

Die letzte Nacht

Titel: Die letzte Nacht
Autoren: Andrea Fazioli
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Mein Mann, verstehst du?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    »Aber ich würde das alles gerne vergessen, Anna. Nicht weil ich es herunterspielen will … aber, was soll ich jetzt tun?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was sollen wir tun, wir beide?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wirklich nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Hör zu, Filippo, ich muss dir ein paar Sachen erklären. Du sollst begreifen, wie ich mich gefühlt habe, als Forster hergekommen ist. Du wirst es doch begreifen, oder, du wirst es doch begreifen?«
    »Ich …«
    »Hör zu, Filippo.«
    Filippo hörte zu. Sie setzte sich in den anderen Sessel, ihm gegenüber. Die Geräusche von draußen klangen gedämpft. Sie berührten sich nicht, sie sahen sich kaum an. Aber sie sprachen. Unterdessen verstrichen die Minuten dieses Wintermorgens, und halbe Sätze überbrückten die Scheu.
    »… ich wusste nicht, dass Forster …«
    »… und ich stand da und sah ihn hinauskommen …«
    »… wenn ich es nur rückgängig machen könnte, wenn ich …«
    »… wann, verstehst du, ich frage mich, wann!«
    Die Minuten vergingen im Takt des Geräusches der Züge, die im nahe gelegenen Bahnhof von Bellinzona ein- und ausfuhren. Filippo hörte zu und sprach, wickelte hin und wieder seinen Bart um den Zeigefinger. Er kämpfte. Nach dem Überfall, nach der Angst und der Verfolgung, begann der Kampf.

24
Ein inneres Lächeln
    »Ich fühle mich wie jemand, der zu spät kommt«, sagte Kommissar Emilio de Marchi.
    »Es ist niemals zu spät«, erwiderte Contini.
    De Marchi hob den Kopf und sah ihn an.
    »Hören Sie, ich bin nicht hier, um mich zu amüsieren.«
    »Ich auch nicht.« Contini schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wieso ich hier bin.«
    Kommissar de Marchi hatte die Heizung in seinem Büro auf die höchste Stufe gedreht, als ob er dem Frühling nicht trauen würde. Aber auf seinem blanken Nacken schimmerten ein paar Schweißperlen.
    »Das will ich Ihnen sagen. Sie sind hier, weil uns ein paar Gerüchte zu Ohren gekommen sind.«
    »Gerüchte? Seit wann kümmert sich die Polizei um irgendwelches Gerede?«
    »Seitdem in diesen Gerüchten von einem Detektiv die Rede ist, der schon früher gern Ärger gemacht hat, und von einem ehemaligen Profidieb. Seitdem es heißt, dass diese beiden ziemlich viel Zeit miteinander verbringen.«
    »Wir sind Freunde. Wir haben nichts verbrochen.«
    »Nichts? Ganz sicher nicht?«
    Contini breitete die Arme aus, als wollte er sagen: Beweis mir das Gegenteil. De Marchi schnaubte und spielte mit dem Feuerzeug auf seinem Schreibtisch. Contini hatte recht: Es war nichts vorgefallen. Jean Salviati war bereits seit ein paar Wochen zurück in der Provence und verhielt sich ruhig. Wirklich schade, dass sie von dieser seltsamen Freundschaft erst so spät Wind bekommen hatten. Denn der Kommissar witterte, dass etwas in der Luft lag.
    »Contini, erklären Sie mir, wie es kommt, dass Sie mit einem ehemaligen Dieb und Betrüger befreundet sind.«
    »Das ist eine lange Geschichte. Vielleicht, weil wir so verschieden sind … nun ja, vielleicht brauch ich den Gegensatz. Es ist etwas, das mir hilft, wissen Sie?«
    »Ich bin ganz gerührt, Contini.«
    »Aber es stimmt! Jean Salviati lässt mich gewissermaßen besser begreifen, was ich will und wer ich bin.«
    »Eine philosophische Freundschaft also.«
    »Sie lächeln darüber, Kommissar, aber …«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Sagen wir, ein inneres Lächeln.«
    »Contini.« De Marchis Tonfall wurde drohend.
    »Sie nehmen mich nicht ernst, aber schauen Sie, es gibt keinen Grund zur Sorge. Jean ist nach Frankreich zurückgekehrt. Und eigentlich haben wir nichts gestohlen, oder?«
    De Marchi schnipste mit dem Feuerzeug, ein Mal, zwei Mal und ein drittes Mal. Dann sah er den Detektiv an und schnipste ein weiteres Mal mit dem Feuerzeug. Er war nervös, aber Contini hatte recht. Sie hatten nichts gestohlen.
    Sie hatten sich bei Salviati zu Hause wiedergesehen, auf dem Monte Ceneri. Er kam ihr ein wenig schüchtern vor und ungeschickt bei der Wortwahl. Er hatte sie auf der Schwelle in die Arme geschlossen. Lina, hatte er gesagt. Lina. Dann hatte er sie ins Wohnzimmer geführt, eine Flasche Rotwein entkorkt. Ein drittes Mal hatte er Lina gesagt. Daraufhin hatte sie sich nach seinem Befinden erkundigt, und er hatte den Fröhlichen gespielt. Aber Lina merkte, dass ihm eigentlich zum Weinen zumute war. Ihrem Vater. Dem großen Dieb und harten Kerl. Nun stand er vor ihr, mit von Falten zerfurchtem Gesicht und zitterndem Kinn.
    »Es
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