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Die letzte Hürde

Die letzte Hürde

Titel: Die letzte Hürde
Autoren: Tina Caspari
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mindestens noch eine Stunde!“
    Zottel beobachtete die Szene mit äußerstem Wohlwollen. Die beiden waren fürs erste beschäftigt, so beschäftigt, daß sie nicht einmal die weit offenstehende Haferkiste bemerkt hatten - und Zottels unverschlossene Boxentür schon gar nicht. Es war gut zu wissen, daß er sich gleich noch einen kleinen Nachschlag holen konnte. Vorerst mampfte er friedlich vor sich hin und beobachtete nur aus den Augenwinkeln, wie die zwei Verliebten in Richtung Sattelkammer davonschnürten.
    So, jetzt würde ihn keiner mehr stören. Die da drinnen hatten die Welt um sich herum vergessen. Zottel schritt -wenn auch äußerst behutsam - zur Tat.
    An heißen Sommertagen, so stellte er sehr bald fest, ist das Bedürfnis nach Kraftfutter begrenzt. Der Körper verlangt Rohkost - und die möglichst vielfältig. Schon lange hatte Zottel nicht mehr so eine Chance gehabt, in freier Wahl etwas Abwechslung in seinen Speiseplan zu bringen. Leise trat er auf den Hof hinaus und sah sich um. Dort drüben lag der Gemüsegarten, und die Düfte, die von dorther zu ihm herüberwehten, waren vielversprechend. Salat, junge Rüben, frische Kräuter und vor allem - Erdbeeren! Zottel setzte sich munter in Trab.
    Was ihn erwartete, war allerdings kein Schlemmermahl, sondern eine herbe Enttäuschung. Der Garten war von einem hohen Zaun umgeben und durch ein verschlossenes Tor vor Eindringlingen geschützt! Eine Frechheit, wo er hier doch fast zu Hause war! Ärgerlich stieß er mit dem Kopf ein paarmal an den mit starkem Maschendraht bespannten Rahmen des Tores, trat auch heftig dagegen, doch es hielt seinen Hufen stand. Es war sinnlos, sich mit so etwas weiter aufzuhalten, der Tag war zu kostbar. Verächtlich schnaubend wandte Zottel sich ab und bog in den Weg ein, der zum Wald hinüber führte und den Bille vor kurzem hinuntergeritten war. Wenn er den beiden nun folgte und eine Weile neben Pünktchen herlief, war das sicher lustiger, als hier herumzustehen. Und Erdbeeren - sogar viel schmackhaftere - gab es im Wald auch.
    Von Bille war weit und breit nichts zu sehen, sie mußten den ganzen Weg galoppiert sein. Nun, das machte nichts, er amüsierte sich genauso gern allein. In gemächlichem Trab trottete Zottel auf den Wald zu. Bald tauchte er in den kühlen Schatten der Fichten ein, kam in den Buchenschlag und wählte einen Pfad, der links zum Moorsee hinüberlief. Ein paar Schluck Wasser würden ihm jetzt guttun.
    Seitlich vom Bootssteg parkte ein Wohnmobil. Zottel erschnupperte den ekelerregenden Geruch von Benzin schon von weitem. Hier im Wald! Hmhmhm , brummte er ärgerlich. Die konnten einem die schönsten Früchte und Gräser vermiesen! Aber halt, vielleicht gab es dort noch andere Genüsse zu finden; einen kleinen Abstecher war der Versuch wert.
    Die Tür des Wohnmobils war verschlossen. Und von Lebensmittelvorräten keine Spur. Zottel sah sich um. Da! Dort drüben auf dem Bootssteg saß regungslos ein Mann. Er hielt eine Angelrute in der Hand, und hinter ihm auf dem Steg lag ein Rucksack, der, wie Zottel erfreut feststellte, weit geöffnet war. Eine Schnapsflasche und eine Thermoskanne ragten heraus. Wo Thermoskannen waren, gab es Zottels Erfahrung nach auch ein Picknick - und wenn es nur aus Obst und ein paar Keksen bestand. Das mußte er genauer untersuchen.
    Es wäre übertrieben zu behaupten, daß Zottel etwas vom Angeln verstanden hätte, es sei denn das Angeln von Kekspackungen aus Taschen, Beuteln und Rucksäcken. Wenn er sich trotzdem so leise und vorsichtig wie möglich vorwärtsbewegte, dann nicht, um die Fische nicht zu verscheuchen, sondern nur, um den Angler nicht unnötig auf seine Gegenwart aufmerksam zu machen. Denn wer wußte schon, ob der bereit gewesen wäre, sein Frühstück mit einem ewig hungrigen Pony zu teilen. Also ging Zottel ganz behutsam vor.
    Ein leises Schnarchen belehrte ihn, daß der Mann sehr früh aufgestanden sein mußte, jedenfalls hatte das Warten ihn unversehens in einen sanften Schlummer fallen lassen. Es lag Zottel fern, ihn dabei zu stören; achtsam setzte er Fuß vor Fuß, bis er mit lang ausgestrecktem Hals den Rucksack erreichen konnte. Hatte er doch richtig vermutet: zum Kaffee war Kuchen vorgesehen, ein schöner, saftiger Guglhupf mit Rosinen - und Rosinen waren wirklich das höchste der Genüsse! Zottel packte mit den Zähnen zu, erwischte zielgenau das Kuchenpaket, doch als er es aus seiner Umhüllung ziehen wollte, klappte das Vorhaben nicht wie geplant. Der Kuchen
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