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Die letzte Generation: Roman (German Edition)

Die letzte Generation: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Generation: Roman (German Edition)
Autoren: Arthur C. Clarke
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der Einzige bin, der es sieht. Ich habe solche Farben nie für möglich gehalten ...
    Der Sturm erstirbt, aber das große dunstige Netz ist noch da. Ich glaube, dass die Morgenröte nur eine Begleiterscheinung von irgendwelchen Energien war, die dort an der Grenze des Weltraums entfesselt werden ...
    Einen Augenblick! Ich habe soeben etwas anderes bemerkt. Mein Gewicht nimmt ab. Was bedeutet das? Ich habe einen Stift zu Boden fallen lassen, und er hat sich ungewöhnlich langsam bewegt. Irgendetwas ist mit der Schwerkraft geschehen. Jetzt kommt ein starker Wind auf. Ich sehe, wie die Bäume unten im Tal ihre Äste schütteln.
    Natürlich – die Atmosphäre entweicht! Stock und Stein steigen zum Himmel auf, als wollte die Erde selbst versuchen, ihnen in den Weltraum zu folgen. Eine große Staubwolke wird vom Sturm aufgewirbelt. Es wird schwierig, etwas zu erkennen ... vielleicht wird es gleich wieder heller, sodass ich sehen kann, was geschieht.
    Ja, jetzt ist es besser. Alles Bewegliche ist verschwunden, die Staubwolken sind fort. Ich frage mich, wie lange dieses Gebäude noch stehen wird. Und das Atmen fällt mir schwerer. Ich muss versuchen, langsamer zu sprechen.
    Ich kann wieder deutlich sehen. Die große, brennende Säule ist noch da, aber sie zieht sich zusammen, wird schmaler, sieht aus wie der Trichter eines Tornados, der sich in die Wolken zurückziehen will. Und ... es ist schwer zu beschreiben, aber gerade in diesem Augenblick spüre ich, wie eine Woge der Erregung über mich hinflutet. Es war nicht Freude oder Trauer, es war ein Gefühl der Erfüllung, der Vollendung. Habe ich es mir eingebildet? Oder kam es von außen? Ich weiß es nicht.
    Und jetzt ... das kann nicht nur Einbildung sein ... jetzt erscheint die Welt leer. Völlig leer. Es ist, als würde man Radio hören und der Empfänger plötzlich verstummen. Und der Himmel ist wieder klar ... Das dunstige Netz ist verschwunden. Zu welcher Welt wird es sich nun begeben, Karellen? Und werden Sie wieder dort sein, um ihm weiter zu dienen?
    Seltsam, alles um mich herum ist unverändert. Ich weiß nicht, wieso, aber irgendwie hatte ich gedacht, dass ...«
    Jan hielt inne. Eine Weile suchte er nach Worten, dann schloss er die Augen, um seine Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. Jetzt war keine Zeit für Furcht oder Panik. Er hatte eine Pflicht zu erfüllen, eine Pflicht gegenüber den Menschen und eine Pflicht gegenüber Karellen.
    Dann sprach er weiter, zuerst langsam, als würde er aus einem Traum erwachen.
    »Die Gebäude um mich herum, der Boden, die Berge, alles ist wie Glas. Ich kann hindurchsehen! Die Erde löst sich auf. Mein Gewicht ist fast verschwunden. Sie hatten Recht. Sie haben aufgehört, mit ihrem Spielzeug zu spielen.
    Es sind nur noch wenige Sekunden. Jetzt vergehen die Berge wie Rauchschwaden. Leben Sie wohl, Karellen, Rashaverak. Es tut mir Leid um Sie. Obwohl ich es nicht verstehe, habe ich gesehen, was aus der Menschheit geworden ist. Alles, was wir je geleistet haben, ist zu den Sternen emporgestiegen. Vielleicht ist es das, was uns die alten Religionen sagen wollten. Aber sie haben es falsch ausgedrückt. Sie dachten, die Menschheit wäre so wichtig, und doch sind wir nur ein Volk von vielen ... wissen Sie, wie vielen? Doch nun sind wir etwas geworden, was Sie nie sein könnten.
    Jetzt verschwindet der Fluss. Aber keine Veränderung am Himmel. Ich kann kaum noch atmen. Sonderbar, dass dort oben noch immer der Mond scheint. Ich freue mich, dass sie ihn zurückgelassen haben, aber er wird jetzt sehr einsam sein ...
    Das Licht! Es kommt von unten her ... aus dem Innern der Erde ... es leuchtet herauf, durch die Felsen, durch den Boden, durch alles, und es wird heller, heller, blendend hell ...«
     
    In einer geräuschlosen Lichtflut gab der Kern der Erde seine aufgespeicherten Energien frei. Für kurze Zeit kreuzten die Schwerkraftwellen das Sonnensystem und störten die Bahnen der Planeten. Dann setzten die übrig gebliebenen Kinder der Sonne ihre uralten Wege fort, wie Korken, die auf einem friedlichen See schwammen und auf den kleinen Wellen tanzten, die durch einen hineinfallenden Stein ausgelöst wurden.
    Von der Erde blieb nichts übrig. Sie hatten die letzten Atome ihrer Substanz aufgesaugt. Die Erde hatte sie in den stürmischen Augenblicken ihrer unfassbaren Metamorphose genährt, wie eine junge Pflanze von der im Weizenkorn gespeicherten Nahrung zehrte, während sie der Sonne zustrebte.
     
    Sechs Milliarden
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