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Die letzte Generation

Die letzte Generation

Titel: Die letzte Generation
Autoren: Arthur C. Clarke
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den Stützpunkt der Overlords bildeten, ragte hoch über ihnen auf und ließ ihre Proportionen als Menschenwerk erscheinen. Jan sah das Schiff an und versuchte sich die Gefühle zurückzurufen, die es einst in ihm erweckt hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, da es ein unerreichbares Ziel gewesen war, ein Symbol alles dessen, was er nie wirklich zu erreichen erwartet hatte. Und jetzt bedeutete es nichts.
    Wie ruhig und still es war! Die Overlords natürlich würden ebenso tätig sein wie immer, aber im Augenblick war nichts von ihnen zu sehen. Er hätte allein auf der Erde sein können, wie er es in einem sehr wirklichen Sinne ja auch war. Er blickte zum Mond empor, auf der Suche nach irgendeinem vertrauten Anblick, an dem seine Gedanken Halt finden könnten.
    Dort auf dem Mond waren die alten Meere, an die er sich gut erinnerte. Er war vierzig Lichtjahre weit in den Raum vorgedrungen, und doch war er niemals auf diesen weniger als zwei Lichtsekunden entfernten, staubigen Ebenen umhergewandert. Einen Augenblick unterhielt er sich damit, den Krater Tycho zu suchen. Als er ihn entdeckte, sah er zu seinem Erstaunen, daß jener glänzende Fleck weiter von der Mittellinie der Scheibe entfernt war, als er gedacht hatte. Und in diesem Augenblick bemerkte er, daß das dunkle Oval des Mare Crisium völlig fehlte.
    Das Antlitz, das ihr Satellit jetzt der Erde zukehrte, war nicht dasselbe, das seit dem Morgen des Lebens auf die Welt niedergeschaut hatte. Der Mond hatte sich um seine Achse zu drehen begonnen.
    Das konnte nur eines bedeuten. Auf der anderen Seite der Erde, in dem Lande, das sie so plötzlich des Lebens beraubt hatten, erwachten jene jetzt aus ihrer langen Trance. Wie ein erwachendes Kind die Arme ausstreckt, um den Tag zu begrüßen, spannten auch sie die Muskeln und spielten mit ihren neuentdeckten Kräften …
     
    „Sie haben recht geraten“, sagte Raschaverak. „Es ist für uns nicht mehr sicher, hierzubleiben. Noch werden sie uns vielleicht nicht beachten, aber wir können uns dieser Gefahr nicht aussetzen. Wir brechen auf, sobald unsere Ausrüstung verladen ist – wahrscheinlich in zwei oder drei Stunden.“
    Er blickte zum Himmel hinauf, als fürchte er, daß irgendein neues Wunder auftauchen werde. Aber alles war friedlich: Der Mond war untergegangen, und nur einige Wolken segelten hoch oben mit dem Westwind.
    „Es macht nicht viel aus, wenn sie mit dem Mond allerlei anstellen“, fügte Raschaverak hinzu, „aber wenn sie sich nun an die Sonne heranmachen? Wir werden natürlich hier Apparate zurücklassen, damit wir erfahren können, was hier geschieht.“
    „Ich bleibe hier“, sagte Jan unvermittelt. „Ich habe genug vom Universum gesehen. Es gibt nur eines, was mir jetzt wissenswert erscheint, nämlich das Schicksal meines eigenen Planeten.“
    Ganz leise bebte der Boden unter ihren Füßen.
    „Das habe ich erwartet“, fuhr Jan fort. „Wenn sie die Drehung des Mondes verändern, muß sich der Ausschlag irgendwo bemerkbar machen. Die Erde wird ihr Tempo also verlangsamen. Ich weiß nicht, was mich dabei mehr erregt: Wie sie es machen oder warum.“
    „Sie spielen noch immer“, sagte Raschaverak. „Was für eine Logik liegt in den Handlungen eines Kindes? Und in mancher Hinsicht ist die Einheit, zu der Ihre Rasse geworden ist, noch ein Kind. Sie ist noch nicht bereit, sich mit dem Ubergeist zu vereinen. Aber sehr bald wird sie dazu reif sein, und dann werden Sie die Erde für sich allein haben.“
    Er vollendete seinen Satz nicht, aber Jan tat es für ihn: „… Natürlich nur, wenn die Erde noch vorhanden ist.“
    „Sie sind sich über diese Gefahr klar – und doch wollen Sie hier bleiben?“
    „Ja. Ich bin jetzt seit fünf – oder sind es sechs? – Jahren wieder daheim: Was auch geschieht, ich werde mich nicht beklagen.“
    „Wir hofften“, begann Raschaverak langsam, „daß Sie den Wunsch haben würden, hier zu bleiben. Sie können hier etwas für uns tun …“
     
    Die Leuchtspur des Schiffes wurde matter und erstarb irgendwo jenseits der Bahn des Mars. Diesen Weg, dachte Jan, war von allen Milliarden Menschen, die auf der Erde gelebt hatten und hier gestorben waren, er allein entlanggefahren. Und niemand würde ihn jemals wieder fahren.
    Die Welt gehörte ihm. Alles was er brauchte, alle materiellen Besitztümer, die irgend jemand sich wünschen konnte, standen ihm zur Verfügung. Aber er hatte kein Interesse mehr daran. Er fürchtete weder die Einsamkeit des verlassenen
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