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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Sayo Masuda
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Peitsche des Mitgefühls, um mich schneller selbständig werden zu lassen, oder die Züchtigung der Verachtung, weil ich verkauft worden bin? Aber wenn das Fräulein Tochter eines wohlhabenden Herrn ausgebildet würde, so wird sie gewiß auf keinen Fall behandelt, dachte ich mir. Wenn damals ein mitleidiger Gott gekommen wäre und mir gesagt hätte: »Ich tue dir nichts zuleide an Körper oder Seele, also sage mir ehrlich: Wovor hast du am meisten Angst?«, dann hätte ich, ohne zu zögern, geantwortet: »Vor den Menschen.« Und wenn er gesagt hätte: »Einen Wunsch gebe ich dir frei«, dann hätte ich mit Sicherheit geantwortet: »Laß mich irgendwo hinkommen, wo keine Menschen sind!«
    In der Geisha-Schule gab es auch Unterricht im Lesen und Schreiben. Aber in diesen Fächern hat sich niemand groß drum gekümmert, ob man etwas lernte oder nicht, und ich, bei Shamisen, Tsuzumi (Handtrommel) und Tanz mit Eifer dabei, um die schmerzhaften Schläge auch nur ein bißchen zu verringern, gab mir nicht die geringste Mühe, um so etwas wie Lesen und Schreiben zu lernen.
    Kaum war ich in die Geisha-Schule gekommen, wurde in der allerkältesten Zeit der Kälte-Drill praktiziert. Im Durchzug im Flur sitzend, wird Shamisen und Tsuzumi geübt. Beim Kälte-Drill im Geisha-Haus lehren zwar die älteren Geisha, aber auch die geraten in Rage, wenn man zwei- oder dreimal etwas falsch gemacht hat.
    »Was hast du nur im Kopf? Ein bißchen Abkühlung wird dich wohl zur Räson bringen!«
    Und bis sie sagen »es reicht, steh auf!«, muß man da sitzen bleiben und immerzu dieselbe Stelle bimsen. Die Hand, mit der man die Tsuzumi schlägt, ist klamm und schmerzt, Blut fließt aus dem Schrund. Die Tränen kommen ganz von selbst geflossen. Zwei Stunden lang kann man das aushalten, aber wenn man aus Bosheit drei Stunden lang da sitzengelassen wird, verschwimmen die Sinne, vielleicht wegen der Kälte, und man kann sich dann erst recht nicht mehr konzentrieren.
    Wenn ich von einer Geisha beim Weinen erwischt werde, sagt sie:
    »Das Kindchen flennt wohl gern? Wenn du so gern flennst, dann flenn mal tüchtig!«
    Ich werde in den Schnee runtergezogen und dann so richtig gequält.
    In solchen Momenten dachte ich nur: »Wozu bin ich eigentlich auf die Welt gekommen?«, und haßte meine Mutter, die mich erst zur Welt gebracht und dann einfach weggeworfen hatte. Es ist ganz unmöglich auszudrücken, ob in Schrift oder in Worten, wie elend mir zumute gewesen ist.
    Ich möchte schnell Geisha werden
    Es kam die erste Blütenschau in der Geisha-Welt, seit ich nach Suwa gekommen war. Und wieder sperrte ich die Augen auf vor lauter Staunen über all die Pracht. Nicht die Pracht der Kirschblüten, sondern die meiner Geisha-Schwestern, die sich in festlicher Gewandung unter den Blüten scharten …
    Es war Brauch, daß die Blütenschau alljährlich in dem Park stattfand, wo früher die Burg von Suwa, einer Domäne von 30 000 Koku , stand. Es ist ein durchaus vornehm wirkender Burgpark, der sich, vom inneren Burggraben umgeben, auf den Grundmauern der Burg, aus schönen, hellen Steinen gemauert, erhob. Dort, wo früher wohl der Burgfried stand, war der Park eine Stufe höher, und man konnte von dort aus ganz Kamisuwa, ja sogar bis nach Shimosuwa hin, übersehen.
    Unter den Kirschbäumen, die überall im ganzen Burgpark wachsen, breitet man Sitzmatten und Sitzteppiche aus, und dann wird bei Gesang und Tanz laut und ausgelassen gefeiert. Die Geisha lassen sich selbstverständlich von ihren Kunden aushalten und warten ihnen auf, und der Anblick, wie sich diese Mädchen, die sich für ihr Morgen ohnehin keine Hoffnungen machen, dafür heute um so ausgelassener gehenlassen, ist zugleich schön und bewegend.
    Hamako drängte mich, unbedingt mit ihr zusammen hinzugehen, obwohl ich mich sträubte und sagte:
    »Nein, ich will nicht, ich kriege doch nur wieder geschimpft, wenn die Mutter mich da erwischt!«
    Auf dem Rückweg von der Schule nahm ich mir aber ein bißchen Zeit und ging mit ihr zur Blütenschau.
    »Warum denn nicht? Ich habe nächstes Jahr mein Debüt, da muß ich mir das doch mal ansehen! Du willst doch auch bald Geisha werden, oder nicht?«
    Solche Reden lassen ihr die Augen funkeln. Ich selbst redete zwar nicht davon, sehnte mich aber ganz genauso danach, Geisha zu werden. Geisha tragen prachtvolle Kimonos und müssen weder Wäsche waschen noch als Laufbotinnen herumrennen.
    Das Frühjahr ging vorüber, es wurde Sommer. Nur im Sommer erinnerte ich
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