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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Sayo Masuda
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wurde ich »Tsuru, Tsuru« gerufen, aber bald schon kam es dazu, daß alle mich nur »Otei« nannten. Dieses »tei« kommt von dem Wort »Teinō?« (Schwachkopf).
    Trotzdem war ich glücklicher als vorher. Ich bekam nämlich Süßigkeiten. Wenn die Geisha gut gelaunt sind, stecken sie sich heimlich japanisches Zuckerwerk oder Kuchen, wie sie es bei der Kundenbetreuung bekommen, in ihren Kimono-Ärmel und bringen es mir mit. Im Haus des Großgrundbesitzers hatte ich Süßigkeiten zwar mit eigenen Augen zu sehen bekommen, zu essen aber kein einziges Mal.
    Um jene Zeit habe ich auch zum ersten Mal »bewegte Lichtbilder« zu sehen bekommen. »Was für arme Menschen gibt es doch in der Welt«, dachte ich dabei und flennte, daß mir der Kopf weh tat, und auch danach war ich, wenn ich nur an den Film zurückdachte, noch tagelang in Tränen aufgelöst.
    Die Geisha lachten mich aus:
    »Daß es so einen begriffsstutzigen Dummbeutel gibt!«
    Sie konnten mir noch so oft erklären, daß das alles nur erfunden, nur ein Film gewesen sei, ich konnte einfach nicht begreifen, was das heißen sollte, und erklärte es mir damit, daß ich nichts davon verstehe, weil ich halt kein Kind von ordentlichen Leuten war.
    Der Film handelte von einem völlig blinden Jungen, dessen Mutter irgendwo als Dienstmagd arbeitete. Der blinde Junge tritt einen Teekessel um und ruft:
    »Als hätte ich feste Sandalen an!«
    Das sieht die Mutter und geht hinaus, weil sie sterben will. Da sind Hühner, die ihre Küken füttern. Wie sie das sieht, entschließt sie sich, weiterzuleben. Das ist alles, aber bis heute ist mir das tief ins Gedächtnis eingebrannt, obwohl es schon 20 Jahre her ist.
    Die Geisha-Schule
    Etwa einen Monat nach meiner Ankunft kam ich in die Geisha-Schule. Geisha-Lehrmädchen gehen meistens nicht auf eine normale Schule, sondern in die Geisha-Schule des Kenban. Wenn wir, auch auf dem Schulweg, von bösen Buben gesehen wurden, ärgerten sie uns.
    »Haaa, die Geisha-Kinder kommen! Es stinkt, es stinkt«, riefen die, warfen mit Steinen nach uns, streckten uns die Zunge raus und spielten uns Streiche.
    Bevor ich da hinkam, war schon ein Lehrmädchen im Takenoya. Sie war ein Jahr älter als ich und sagte, sie sei vor drei Jahren gekommen, also mit 10 Jahren. Das Mädchen hieß Hamako und hatte ihr langes Haar so fest nach hinten gezogen, daß ihr fast die Augen hochgezogen wurden, und hinten zu einem Knoten gebunden. Sie hatte auch eine geschmeidige Figur und strömte eine zarte Sinnlichkeit aus.
    Hamako war ungemein willensstark und sagte: »Tsuruchan, nur nicht wegrennen«, und den Buben gab sie zurück: »Ihr blöden Deppen, ihr Strolche! Stinken eure Väter etwa nicht? – Weißt du«, ereiferte sie sich, »die Väter von denen da kaufen sich doch auch Geisha und sind garantiert allesamt Lüstlinge. – Paßt nur auf, euch merk ich mir! Und dann kriegt ihr's heimgezahlt!«
    Vor lauter Erregung bekam sie richtig rote Backen.
    Weil Hamako hübsch war, wurden in sie wohl große Hoffnungen gesetzt, denn sie wurde von der Mutter offenkundig wesentlich weniger gescholten als ich.
    Wenn meine Haare lang wuchsen, wurden sie gleich wieder abgeschnippelt und franselten immer halblang herunter, genau wie bei einem Kappa. Außerdem bin ich dürr und klein gewachsen.
    »Wenn man Hamachan und Tsuruchan nebeneinanderstellt, ist das ein Unterschied wie zwischen dem Fräulein Tochter eines Fürsten und dem Kind eines Landknechts«, wurde ich verspottet, und in meinem kindlichen Herzen beschämt, wünschte ich mir immer stärker, schön zu werden, und war davon überzeugt, daß es für den Menschen das Wichtigste, der allergrößte Vorzug sei, schön zu sein. Die schöneren Mädchen verkauften sich besser, wußten sich deshalb auch besser durchzusetzen und gaben damit an.
    Die Shamisen-Lehrerin, die in die Geisha-Schule des Kenban kam, war eine magere, sommersprossige strenge Frau. Beim Üben sitzt man der Lehrerin gegenüber und lernt, indem man die Bewegung ihrer Hände anschaut. Wenn man zwei- oder dreimal Fehler macht, kriegt man gleich das Plektrum übers Knie gezogen. Während meiner Lehrzeit hatten deshalb die blauen Flecken auf meinen Knien keine Zeit zu verschwinden. Aber nicht nur das Plektrum in den Shamisen-Stunden ist schmerzhaft; bei der Tanz-Ausbildung kommt der Zeigestock niedergesaust, auf Hände oder Füße, wie es sich gerade ergibt. Ich war überrascht, wie unerwartet weh es tut, mit dem Zeigestock geschlagen zu werden.
    War das die
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