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Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte (insel taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Sayo Masuda
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Dabei befand ich mich an diesem Tage auf dem Weg, als Geisha verkauft zu werden, was mein künftiges Leben bestimmen sollte. Aber selbst wenn ich nicht als Geisha verkauft worden wäre, für jemand wie mich hätte es sicher keinen Weg zu irgendeinem Glück geben können …
    Jetzt ist mir danach zumute, anzuklagen, mit was für elenden Gefühlen ich mein ganzes Leben verbringen mußte, aus Verantwortungslosigkeit der Eltern in die Welt gesetzt wie ein Bündel Sünde, und herauszuschreien, daß ein Menschenleben wie meines sich nie mehr wiederholen darf. In welche Schande man auch geraten mag, ein Mensch ist doch ein Mensch, und seine Seele irrt immerzu auf der Suche nach Licht herum, und wenn sich irgendwo ein Licht zeigt, dann strampelt man sich verzweifelt danach ab, irgendwie dahinzukommen. Wenn man aber bei allem verzweifelten Abstrampeln nicht zu dem Licht kommen kann, geht man unter. Wer ein menschliches Herz hat und ein Kind zur Welt bringt, der soll auch seine Elternpflicht erfüllen, bis das Kind auf eigenen Beinen steht, auch wenn das sämtliche Energien kosten sollte!
     
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[ 1 ]  Kindermädchen bekamen das Kleinkind stets auf den Rücken gebunden.

Ein schwarzbraunes Lehrmädchen
    Der Märchenpalast
    Ohne je zur Schule gegangen zu sein oder lesen zu können, aufgewachsen wie ein ausgesetzter Hund, wurde ich mit 12 Jahren verkauft. Ich wußte nicht mal, wie alt ich war, aber ich hörte damals, wie jemand sagte:
    »Das Kind ist 12 Jahre alt.«
    Ich entsinne mich, daß ich dachte: »12 Jahre alt bin ich also!«
    Das würde demnach heißen, daß es um 1936 oder 1937 gewesen sein muß.
    Ich wurde an ein Geisha-Haus mit dem Namen Takenoya in Kamisuwa verkauft. Zuallererst riß ich vor Staunen über die Schönheit dieses Märchenpalastes die Augen auf. Mein Onkel besprach leise mit dem Herrn des Hauses Takenoya irgendwelche Dinge, hielt aber den Kopf immerfort gesenkter, als es nötig gewesen wäre, und wischte sich mit seinem zerknäulten Taschentuch dauernd den Nasenrücken. Ich kauerte winzig klein hinter meinem Onkel, nur die Augen in meinem dunkelbraun gebrannten Gesicht weit aufgerissen, und schaute vermutlich verwundert ringsumher.
    »Wie ein Kobold, das Kind da«, waren die ersten Worte, die ich von der Patronin des Hauses Takenoya, die ich »Frau Mutter« zu nennen hatte, zu hören bekam. Ich fühlte mich wer weiß wie beschämt und genierte mich fürchterlich.
    Die Verhandlungen kamen dann wohl zu irgendeinem Abschluß, und mein Onkel sagte:
    »Von heute an gehörst du zu diesem Haus. Hör gut auf das, was die Herrschaften dir sagen, und laß dich von ihnen verwöhnen!«
    Dann verließ er das Haus durch die Hintertür.
    Ich wurde gebadet, neu eingekleidet und zu den Zimmern meiner älteren »Schwestern« geführt. Ich wußte nicht, wie mir geschah. Da hingen Kimonos und Untergewänder auf den Kleiderständern, die noch viel prachtvoller waren als die Kleider, die die Tochter des Großgrundbesitzers an Festtagen trug.
    Als ich dort das Baby hütete, hatte ich manchmal in die Bilderbücher der Tochter des Hauses geschaut. Da war ein prächtiger Palast abgebildet, und als ich heimlich den Knecht Miichan darüber befragte, hatte er mir erzählt:
    »Das ist der Palast des Drachenkönigs. Und das schöne Mädchen da ist die Prinzessin Otohime.«
    Mir kam es vor, als sei ich wahrhaftig in den Palast des Drachenkönigs gekommen und die Schwestern dort seien lauter Prinzessinnen Otohime. Das wäre toll, wenn ich auch hier leben dürfte!
    Die Realität aber, die vom nächsten Tag an begann, machte mir sehr deutlich, daß es hier weder so schön zuging, wie ich mir das vorgestellt hatte, noch, daß dies ein Ort des Müßiggangs war.
    Morgens aufstehen, Staub wischen, die Wäsche aller neun Personen im Haus waschen, allerlei Gänge erledigen, und am Abend muß ich den Geisha die Shamisen hinterhertragen und, wenn nötig, falls sie auswärts übernachten, ihnen die Kleidung zum Wechseln hinbringen.
    Die Mutter und die Geisha gaben mir einen Auftrag nach dem andern, ich hatte keinen Augenblick Ruhe. Und mit jedem zweiten Wort wurde ich »du Dusseltier!« oder »du Schwachkopf!« gescholten.
    Zu Anfang, als ich gerade gekommen war, hatte mich der »Herr Vater« gefragt, wie ich denn heiße; da habe ich nur freiweg »he, du da« geantwortet, aber er lachte mich aus:
    »›He-du-da‹, so einen Namen gibt es doch gar nicht!«
    Ich verbesserte mich also und sagte »Tsuru«.
    »Tsuru? Das klingt ordentlich.«
    Also
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