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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman
Autoren: Sean Thomas Russell
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sprachen, aber jeder wusste, worum es ging. Ich meine sogar, dass dieser schreckliche Dr. Johnson die Bedeutung in sein Wörterbuch aufgenommen hat. Wir hielten uns für richtig clever, doch jeder wusste Bescheid. Ich wäre beinahe vor Scham im Erdboden versunken, als ich davon erfuhr.« Eine leichte Röte stieg ihr in die Wangen. »Nun, ich habe gehört, ihr wollt ins Theater?«
    »Bist du sicher, dass du uns nicht begleiten möchtest, Tante?«
    »Ein andermal. Ich bin heute Abend etwas müde. Was werdet ihr euch anschauen?«
    »Shakespeare, Tante. Romeo und Julia .«
    Das Theater war an jenem Abend ausverkauft, aber Robert hatte eine kleine Loge in Bühnennähe reserviert, in der die beiden Paare gerade genügend Platz hatten. Auf Elizabeth’ Drängen hin saß sie mit ihrem Mann auf den vorderen Stühlen, damit die beiden frisch Verliebten weiter zurück im Schatten sitzen konnten.
    »Kannst du die Bühne von da sehen, Henrietta?«, erkundigte sich Robert und verrenkte sich auf seinem Sitzplatz.
    »Ja, sehr gut, Robert. Mach dir keine Sorgen.«
    Hayden spürte eine knisternde Vorfreude in der Theaterloge. Wenn Henrietta sprach, klang ihre Stimme ein wenig gepresst. Nach ein paar Worten musste sie schon Luft holen. Doch die Vorfreude mochte nicht dem Stück gelten, eher der Ablenkung, die das Bühnengeschehen den beiden Verliebten bieten würde, um Zärtlichkeiten auszutauschen.
    In der lauten Menge auf den Stehplätzen vor der Bühne drängten sich auch viele Seeleute und Soldaten, die, vom Alkohol beschwingt, in einem fort prahlten und sich in Szene setzten. In den Logen saßen viele hochrangige Offiziere der Navy und der Armee. Das Stimmengewirr, das Rufen und das neugierige Getuschel der Damen sorgten für eine lebhafte Atmosphäre. Bei all den Menschen im Saal hatten sich unter der Decke des Theaters bald Dunstschwaden gebildet, die Hayden an nebelartige Wolkenbänder am Horizont erinnerten.
    Das musikalische Vorspiel begann mit Zimbelklängen und Trommeln als unverwechselbare Anzeichen eines heraufziehenden Sturms. Es folgte ein kurzes Possenspiel, das insbesondere den einfachen Matrosen gefiel, die nun endlich damit aufhörten, den Soldaten zu drohen, und sich der Bühne zuwandten. Die Männer hielten sich mit ihren Kommentaren nicht zurück und gaben den Schauspielern sogar noch Anweisungen.
    Da nun alle Augen auf die Bühne gerichtet waren, tastete Henrietta nach Haydens Hand. Leise rückten die beiden etwas näher zusammen, bis sich ihre Arme berührten. Mit der freien Hand strich Hayden zärtlich über die Innenseite von Henriettas Handgelenk und vollführte kleine kreisende Bewegungen mit einem Finger. Leise seufzend schloss sie die Augen. Ohne ein Wort wandten sich die Liebenden einander zu und küssten sich.
    Doch viel zu früh endete die erste Darbietung, und die berühmten Zeilen des Prologs erschollen auf der Bühne.
    »Zwei Häuser, beide von gleich edlem Blut, beid’ in Verona, wohin wir uns wenden, entfachen neu des alten Haders Glut, drin Bürgerblut, ach, floss von Bürgerhänden. Aus der zwei Feinde Lenden ward erzeugt ein Liebespaar in schlimmer Sterne Bann ...«
    Sogar die Seeleute verstummten einen Moment und lauschten.
    Sampson und Gregory warfen sich die Stichworte zu und begannen mit der Art von Doppeldeutigkeiten, die den Seeleuten gefiel. Die Anspielung auf die Jungfräulichkeit wurde mit lautem Lachen quittiert. Dann betraten die wichtigeren Schauspieler die Bühne, bald erschien auch der junge Romeo, dessen geheimnisvolle Traurigkeit Benvolio zu ergründen sucht.
    Ein eher betagter Benvolio sprach seine Zeilen zu Montague gewandt. »Da kommt er, seht! Geruht uns zu verlassen, galt ich ihm je was, will ich ihn schon fassen.«
    Montague: »O beichtet’ er für dein Verweilen dir die Wahrheit doch! Kommt, Gräfin, gehen wir.« Montague und seine Gemahlin entfernten sich schlurfenden Schrittes von der Bühne.
    Ein schmucker Romeo erschien und trat so prahlerisch und von sich überzeugt auf, dass die Zuschauer hier und da kicherten. Auf dem Kopf trug er einen Hut mit extravagantem Federschmuck, der gar nicht zu dem übrigen Kostüm passte. Die Ärmel seines Wamses hingen wie schlaffe Wangen herab, seine Kniehose war so eng, dass man sich wunderte, wie man sich darin überhaupt bewegen konnte. Zwischen wippendem Hut und Wams war das Gesicht eines Einfaltspinsels zu sehen, dessen Ausdruck unschuldig und verdorben zugleich wirkte. Das rechte Auge war größer als das linke.
    »Wenn je ein
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