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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage
Autoren: Keren David
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Schweigen.
    »Ty«, sagt sie zögernd, »Patrick hat mir gesagt, er habe dich heute Morgen hier unten gefunden. Du hast geschlafen. War etwas nicht in Ordnung?«
    »Äh … ich wollte nur ein paar Sachen waschen. Ich wollte nicht hier unten schlafen, aber dann bin ich wohl eingedöst. Ein toller Raum, Ihr Wäscheraum.«
    »Ach ja?« Sie hält mich offensichtlich für verrückt. Vielleicht bin ich ja verrückt. »Außerdem musst du uns nicht siezen. Wir sind deine Großeltern.«
    »Wenn du deine Wäsche lieber selbst wäschst, kannst du das jederzeit tun«, sagt sie. »Aber du musst nicht im Haushalt mithelfen. Du bist unser Gast.«
    »Äh … ja, schon. Stimmt, meine Wäsche … mache ich manchmal gerne selber.«
    Sie wechseln einen Blick. »Ich gehe kurz mit Meg raus«, sagt Patrick und der Hund stellt sofort die Ohren auf, trabt herbei und bellt schon wieder ganz grässlich. Ich zucke zusammen. Meg ist ein ziemlich kluges Tier, das muss ich zugeben. Immerhin versteht sie Englisch. Ich könnte mir vorstellen, dass sie lieber mit mir laufen würde als mit einem alten Knacker spazieren zu gehen.
    Als sie weg sind, gießt mir Helen Kaffee nach und macht noch mehr Toast. Das mit dem Wäschewaschen beschäftigt sie immer noch.
    »Hör mal, Ty, ich kann dir zeigen, wo du Bettwäsche findest und alles andere, was du brauchst, falls du … ich meine … falls du wieder Probleme hast. Du musst nicht mitten in der Nacht Wäsche waschen. Ich muss sogar noch irgendwo einen Matratzenschoner haben.«
    Sie hält mich für einen Bettnässer. Na toll.
    »Nein, damit hat es nichts zu tun. Ich hab mich übergeben. Und der blöde Polizist, der meine Tasche gepackt hat, hat weder Unterwäsche noch Socken oder so was eingepackt, deshalb war ich für heute ein bisschen knapp mit Wäsche.«
    Sie sieht mich zugleich besorgt und erleichtert an. »Ich bin immer für dich da, falls du krank bist oder falls du etwas brauchst – du kannst mich jederzeit wecken. Ichmöchte nicht, dass du wieder auf dem kalten Boden einschläfst. Außerdem können wir dir natürlich neue Sachen kaufen. Schreib einfach alles auf, was du brauchst.«
    Klar kann sie das, an Geld mangelt es hier ja wohl nicht. Wenn ich in London plötzlich die Hälfte meiner Klamotten verloren hätte, wäre das für meine Mum und mich ein ziemlicher finanzieller Schlag gewesen. Und zwar deshalb, weil wir nie auch nur einen einzigen Penny von dem blöden Sohn dieser Leute hier gesehen haben.
    »Vielen Dank«, sage ich, ohne es so zu meinen. Sie gibt mir einen Notizblock und einen Stift, und ich schreibe auf, was ich brauche.
    Als wir mit dem Frühstück fertig sind, räume ich die Teller ab und sehe mich nach Spüllappen um, aber sie sagt nur: »Das kommt in die Spülmaschine«, also räume ich dort alles rein. Dann fallen mir die Sachen ein, die ich zum Trocknen auf den Ständer gehängt habe. Ich gehe in den tollen Wäscheraum und frage Helen: »Soll ich … soll ich noch fertig bügeln?«
    »Möchtest du das wirklich?«, fragt sie verwundert. Ich nicke. Als Patrick und Meg zurückkommen, sieht er gleich, was ich mache, wirft Helen einen Blick zu, schüttelt den Kopf und zuckt die Achseln. Ich konzentrierte mich noch intensiver auf meine Arbeit.

Kapitel 5
Claire
    Niemand spricht über meinen Dad. Nur einmal, als ich mir die Haare wieder schwarz färbe, so wie mir Louise geraten hat, prustet Helen fast in ihren Tee und sagt: »Also, jetzt siehst du wirklich aus wie Danny.« Wahrscheinlich hofft sie, dass ich ganz begeistert und aus dem Häuschen bin und sie mit jeder Menge Fragen löchere, aber ich sage überhaupt nichts.
    Ich putze einfach immer weiter. Dadurch laufe ich ihnen nicht ständig über den Weg. Manchmal scheinen sie sich darüber zu wundern, dass ich so gerne arbeite – dass ich zum Beispiel alle Pfannen aus den Schränken nehme und sie schrubbe –, aber niemand beschwert sich darüber. Helen findet es sogar gut, dass ich mich so nützlich mache, weil sie ihre Putzfrau nicht kommen lassen kann, solange ich bei ihnen wohne. Ich finde, sie könnten sowieso eine bessere Putzfrau brauchen, denn überall unter den Möbeln und hinter den Regalen ist jede Menge Dreck und Staub, wenn man richtig hinsieht.
    Patrick ist zu Marks & Spencer gefahren und hat mir Boxershorts, Socken und einen Schlafanzug gekauft. Außerdem hat er jede Menge Klamotten von Gap mitgebracht,nicht gerade meine erste Wahl, aber die meisten sehen ganz annehmbar aus. Ob ich sie tatsächlich anziehe, weiß
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