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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche
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das?«
    Patrick setzte zu einer Erklärung an, aber Glemp schnitt ihm das Wort ab. »Nirgends. Unter dem Meer. Ein Ort, wo die Fische spielen können.«
    »Sie sind komisch.«
    »Danke sehr. Weißt du, heute werden wir dafür sorgen, dass deine Kinder, wenn du mal groß bist, einen Ort haben, wo sie spielen können.«
    »Statt der Fische?«
    »Statt der Fische. Genau.«
    »Sie sind komisch.«
    »Er arbeitet bei Eschatology, Inc.«, wandte sich Nathan an Patrick. »So ist er immer. Man muss ihn einfach mögen. Hoffen wir, dass er Recht hat.«
     
    Die Bibliothek war ein Zusammenprall architektonischer Epochen, ein Sandstein- und Glasklotz aus den 1950er Jahren, an dem ein Rotziegelklotz aus den Neunzigern klebte; ein weiteres alterndes Bauwerk, das seit einem Jahrzehnt oder länger nicht mehr renoviert worden war. Um das Gebäude betreten zu können, mussten sie erneut einen Sicherheitskordon überwinden. Diesmal bestand er aus LaRei-Leuten, und die Kontrollen waren erheblich schärfer als bei den Polizei- und Militärsperren anderenorts.

    Ein offener Bereich im Erdgeschoss der Bibliothek war für eine Konferenz hergerichtet worden; schlichte Klappstühle reihten sich vor einem Podium. Es war eine heimelige Szenerie, fand Patrick, als wären sie zu einer Gemeindeversammlung hier, um über Bauanträge zu diskutieren. Aber in den hinteren Sitzreihen hockten schattenhafte Gestalten wie Alice und Camden, Wachleute und Aufpasser. Und etwa zwanzig der rund fünfzig Stühle waren bereits von anderen Männern und Frauen besetzt. Viele der Gesichter erkannte Patrick sofort aus Nachrichtenmedien, von Tagungen und persönlichen Kontakten wieder. In diesem Raum waren Leute versammelt, im Vergleich zu denen Patrick und sogar Nathan Lammockson arm wie Kirchenmäuse waren.
    Dies war LaRei, eine exklusive Geheimgesellschaft, die in den Jahren vor der Überschwemmung als Quelle von Kontakten bezüglich guter Schulen, exklusiver Ferienorte und sündhaft teurer Objekte wie Armbanduhren und Schmuck gegründet und nun eine Art Survivalisten-Netz der Superreichen geworden war. LaRei, wo man selbst mit einem Nettovermögen von einer Milliarde Dollar auf verschlossene Türen stieß; ohne Nathans Unterstützung wäre Patrick nicht hier gewesen.
    An der Stirnseite des Raumes, neben dem Podium, stand eine schlanke Schwarze von ungefähr vierzig Jahren in einem zerschlissenen Overall, der früher vielleicht einmal AxysCorp-blau gewesen war. Sie baute gerade eine Kristallkugel auf, ein großes, dreidimensionales Projektionssystem, das ein Bild der sich drehenden Erde zeigte. Patrick erkannte Thandie Jones.
    Der hübsche Erdball, dessen blauer Schein Glanzlichter auf die polierten Holzvertäfelungen und die Bücherreihen in den Regalen warf, zog Holles Aufmerksamkeit auf sich. Wie Patrick erwartet hatte, begann sie sich jedoch rasch zu langweilen. Er ließ sie auf den Fußboden gleiten und den Inhalt seiner Umhängetasche
erforschen; sie zog Bücher heraus. Als sie ihren Angel einschaltete, wehten ein paar Takte Musik durch Patricks Kopf, bevor sie das Gerät zum Schweigen brachte. Ihr aktuelles Lieblingsstück war Paul Simons »Graceland«. Niemand machte mehr neue Musik, aber das spielte für sie keine Rolle; sie entwickelte ihre eigenen Vorlieben und arbeitete sich durch Patricks Sammlung, in der ihr alles so neu war, als wäre es gestern erst geschrieben worden.
    Dann bemerkte sie ein anderes Kind, ein blondes kleines Mädchen ungefähr in ihrem Alter, das auf der anderen Seite des Raumes saß. Sie starrten einander an, als ob die Erwachsenen um sie herum so fern und unwichtig wären wie Wolken.

6
    Ein stämmiger Weißer von vielleicht sechzig Jahren mit haarlosem Schädel und rundem, blassem Gesicht baute sich vor Thandie auf. »Sind Sie so weit, Dr. Jones?« Er drehte sich zum Publikum um. »Ich glaube, Sie kennen mich alle. Ich bin Edward Kenzie, Vorsitzender von LaRei.« Er sprach mit einem rauen Chicagoer Akzent. Seine Stimme wurde nicht verstärkt, aber die Gruppe war so klein und die leere Bibliothek so still, dass Patrick ihn problemlos verstehen konnte. »Meine kleine Tochter, Kelly, kennen Sie vielleicht noch nicht.« Er deutete auf das Kind, das mit Holle spielte. »Aber in gewissem Sinn sind wir heute ihretwegen hier.« Seine Finger waren dick und weich, bemerkte Patrick, mit nikotingelben Flecken an den Spitzen, ein seltsamer, atavistischer Anblick.
    »Viele von uns haben vor sieben Jahren Dr. Jones’ Vortrag beim IPCC
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