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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche
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kam. Hier war etwas in die Stufe eingemeißelt, und sie las mit mühevoller Sorgfalt: »›Eine Meile über dem Meeresspiegel. ‹ Stimmt das, Dad?«
    »So ist es, Schätzchen. Eine Meile hoch, genau hier.«
    Eine raue Stimme mischte sich ein. »Na ja, eine Meile minus sechshundert Fuß oder so. Eine dynamische Markierung wäre besser. Hey, George, vielleicht sollte AxysCorp dafür mal ein Angebot einreichen …« Ein kleiner, stämmiger Mittfünfziger kam die Stufen herab auf sie zu. Sein grau meliertes Haar war kurzgeschoren, und seine fleischige Nase und das Doppelkinn glänzten vor Schweiß. Er hatte einen britischen Akzent, wie man ihn vielleicht in London oder Essex sprach. Zwei Männer begleiteten ihn, der eine hochgewachsen, ruhig und dunkelhäutig, der andere klein und aufgeregt. »Patrick Groundwater, Sie alter Schwerenöter. Freut mich, Sie wiederzusehen.« Er streckte ihm die Hand hin. »Nathan Lammockson.«

5
    Holle stand mitten in der Runde der vier Männer und schaute zu ihnen hoch.
    Nathan stellte seine Begleiter vor. »George Camden, einer meiner leitenden Mitarbeiter bei AxysCorp.« Der dunkelhäutige Camden war schlank, selbstbewusst und offenbar kompetent; er erwiderte Patricks Blick. Auf der Brust seines AxysCorp-blauen Overalls prangte das berühmte Konzernlogo, die Erde in einer hohlen Hand. Wie Patricks Alice blieb er stumm und hielt sich wachsam im Hintergrund.
    »Und Jerzy Glemp.«
    Glemp – pummelig, mit fettigen, von grauen Strähnen durchzogenen schwarzen Haaren und einer schweren, altmodischen Brille auf der dünnen Nase – war nervös und angespannt; seine Hand war feucht. Er trug einen bieder wirkenden Anzug. »Mr. Groundwater. Sehr erfreut, Sie kennenzulernen.« Er hatte einen starken osteuropäischen, vielleicht russischen Akzent. Wenn er lächelte, legten sich seine stoppeligen Hängebacken in Falten. »Ich kenne Ihren Namen von Nathan. Er hat mir erzählt, dass Sie einer derjenigen waren, die sich besorgt über die Reaktion des IPCC 2018 in New York geäußert haben.«
    2018 – in diesem Jahr hatte die unorthodoxe Ozeanographin Thandie Jones dem Weltklimarat ihre Schlussfolgerungen über den Zustand der Welt präsentiert. Bei den Wissenschaftlern war sie jedoch auf Patricks Ansicht nach ungerechtfertigte Skepsis
gestoßen; bei deren politischen Herren hatte sie sich in den darauffolgenden Monaten und Jahren dann mit Realitätsverweigerung und Ausflüchten konfrontiert gesehen. »Ja, ich war dabei – dort sind wir uns zum ersten Mal begegnet, stimmt’s, Nathan?«
    Nathan grinste und klopfte Patrick auf die Schulter. »Nach der Sitzung habe ich gleich an Ort und Stelle dafür gesorgt, dass er in LaRei aufgenommen wurde. Teufel nochmal, mir war sofort klar, das er ein weitsichtiger, ideenreicher Mann war – jemand, der den ganzen Unsinn und die falschen Hoffnungen durchschaut, der langfristig denkt und die Dinge anpackt. Und ich hatte Recht, nicht wahr, Patrick? Nach dieser Konferenz haben Sie angefangen, all dieses Land auf den Plains aufzukaufen. Das war wirklich sehr klug. Und ich möchte – wir alle möchten –, dass so etwas auch bei unserem heutigen Treffen herauskommt. Eine ganz neue Richtung.«
    »Sie sitzen also jetzt in Peru?«
    »Ja. Man sollte meinen, ich wäre die Sonne gewöhnt.« Er wischte sich Schweiß von der fleischigen Stirn. »Ich hätte mich eincremen sollen. Manchmal vermisst man den Regen beinahe. Aber selbst in den Anden schüttet es wie in Manchester.«
    Jerzy Glemp sagte: »Sie stammen aus Schottland, Mr. Groundwater, nicht wahr?«
    »Habe ich immer noch einen so starken Akzent?« Aber Glemp wusste aus Nathans Akten bestimmt alles über ihn. »Geboren und aufgewachsen in Orkney, in einer alten Familie. Wir sind mal mit Holle dort gewesen. Haben sie im Ring of Brodgar herumkrabbeln lassen, damit sie sagen konnte, dass sie da war, wo ihre Vorfahren aufwuchsen. Sie war erst sechs Monate alt. Aber jetzt sind die Inseln allesamt untergegangen. Wir sind also entwurzelt.«

    »Wie so viele von uns«, sagte Glemp. »Und Ihre Frau …«
    »Kam auch von dort«, sagte Patrick. »Wir haben sie vor einem Jahr verloren. Krebs.« Die drei Männer schauten betreten drein. »Ist schon gut. Holle weiß darüber Bescheid.«
    Holle starrte zu Glemp hinauf. »Wo kommt der Mann her?«
    Glemp lachte. »Wir haben dich gar nicht beachtet, stimmt’s? Sie hat Ihre Hautfarbe«, sagte er zu Patrick. »Und Ihren charmanten Akzent. Ich komme aus Polen.«
    »Wo ist
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