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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China
Autoren: Jules Verne
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Hunderttausende von Menschen in Bewegung setzen können. Im 17. Jahrhundert nun herrschte die berühmte, ihrem Ursprunge nach chinesische Dynastie der Ming schon dreihundert Jahre lang über das Himmlische Reich, als das Haupt derselben, der sich gegen die, seine Hauptstadt bedrängenden Rebellen zu schwach fühlte, im Jahre 1648 einen Tatarenkönig um Hilfe anging.
    Dieser König ließ sich nicht zweimal bitten; er eilte herbei und vertrieb zwar die Rebellen, benützte aber zugleich die Gelegenheit, Den, der seine Hilfe erbeten hatte, selbst zu stürzen und seinen eigenen Sohn, Chun-Tche, zum Kaiser ausrufen zu lassen.
    Von dieser Zeit ab trat die Herrschaft des tatarischen Stammes an Stelle der des chinesischen, und die Mantschu-Kaiser bestiegen den Thron.
    Nach und nach vermischten sich, vorzüglich in den niederen Volksschichten, die beiden Racen, während die reichen Familien des Nordens vielfach auf das strenge Auseinanderhalten chinesischen und tatarischen Blutes achteten. So unterscheidet man, vorzüglich in den mittleren Provinzen des Nordens, diese beiden Typen auch noch heutigen Tages ohne Schwierigkeit. In jenen Gegenden sammelten sich die »Unversöhnlichen« als treue Anhänger des gestürzten Herrscherhauses.
    Kin-Fo’s Vater zählte zu den letzteren und verleugnete niemals die Ueberlieferungen seiner Familie, welche es verschmäht hatte, mit den Tataren zu pactiren. Eine Erhebung gegen die Herrschaft der Fremdlinge, auch nach deren fast dreihundertjährigem Besitze der Gewalt, hätte ohne Zweifel seine Zustimmung und Unterstützung gefunden.
    Es bedarf wohl kaum der Versicherung, daß Kin-Fo seine politischen Anschauungen nach allen Seiten theilte.
    Im Jahre 1860 herrschte noch Kaiser S’Hiene-Fong, der England und Frankreich den Krieg erklärte – ein Krieg, der mit dem am 25. October desselben Jahres in Peking abgeschlossenen Vertrage endigte.
    Schon vor dieser Zeit bedrohte die herrschende Dynastie aber eine gefährliche Empörung. Die Tschang-Mao oder Taï-Ping, die »langhaarigen Rebellen«, hatten sich 1853 Nan-Kings und 1855 Shang-Haïs bemächtigt. Nach S’Hiene-Fong’s Ableben hatte sein junger Sohn große Mühe, die Taï-Ping zu Paaren zu treiben. Ohne den Vicekönig Li, den Prinzen Kong und vorzüglich ohne die Unterstützung des englischen Oberst Gordon möchte er wohl kaum noch auf seinem Throne sitzen.
    Die für eine Rebellion gut organisirten Taï-Ping wollten, als erklärte Feinde der Tataren, die Dynastie der Tsing durch die der Wang ersetzen. Sie bildeten vier verschiedene Heerhaufen; der erste, mit schwarzer Fahne, hatte die Aufgabe zu tödten; der zweite, mit rothem Banner, sollte Feuer anlegen; der dritte, mit gelber, sollte plündern, und dem vierten, mit weißer Fahne lag es ob, die drei anderen zu verproviantiren.
    In dem Districte Kiang-Su spielten sich die wichtigsten Ereignisse ab. Su-Tchen und Kia-Hing, fünf Meilen von Shang-Haï, fielen den Rebellen in die Hände und wurden von den kaiserlichen Truppen nur mit Mühe zurückrobert. Auch das sehr bedrohte Shang-Haï wurde am 18. August 1860 angegriffen, gerade als die Generale Grant und Montauban, die Befehlshaber der englisch-französischen Armee, die Forts am Peï-Ho bombardirten.
    Jener Zeit bewohnte Tchung-Heu, Kin-Fo’s Vater, eine Besitzung in der Nähe Shang-Haïs, unsern der prachtvollen Brücke, welche chinesische Ingenieure über den Su-Tchen gebaut hatten. Die Erhebung der Taï-Ping sah er natürlich, da sie ihre Spitze gegen die Tataren richtete, mit wohlwollendem Auge an.
    An jenem 18. August, an dem die Rebellen nach blutigem Kampfe von Shang-Haï abgedrängt wurden, war es, als sich das Thor zu Tchung-Heu’s Wohnung rasch öffnete.
    Ein Flüchtling, der seinen Verfolgern glücklich entgangen war, warf sich flehend Tchung-Heu zu Füßen. Der Unglückliche besaß keine Waffe mehr, sich vertheidigen zu können. Wenn ihn Der, bei dem er eine Freistatt sachte, der kaiserlichen Soldateska auslieferte, war er verloren.
    Unmöglich konnte aber Kin-Fo’s Vater an einem in sein Haus geflüchteten Taï-Ping zum Verräther werden.
    Er verschloß hinter jenem vielmehr eiligst seine Thür.
    »Ich will nicht fragen und mag es niemals wissen, was Du bist, was Du gethan, noch woher Du kommst! Du bist mein Gast und in dieser Eigenschaft allein schon bei mir in sicherer Hut.«
    Der Flüchtling wollte sprechen, um ihm zu danken…. Fast fehlte ihm die Kraft dazu.
    »Dein Name? fragte ihn Tchung-Heu.
    – Wang.«
    In der
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