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Die Leiden eines Chinesen in China

Die Leiden eines Chinesen in China

Titel: Die Leiden eines Chinesen in China
Autoren: Jules Verne
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in Shang-Haï, Macao und Hong-Kong so geschickt zu Werke, daß sich sein Vermögen zur Zeit der Geburt Kin-Fo’s schon auf 400.000 Dollars bezifferte.
     

    Wang. (S. 15.)
     
    Während der nächstfolgenden Jahre erreichte dasselbe die doppelte Höhe, Dank einem neuen Geschäftszweige, dem, Kuli-Handel mit der Neuen Welt«. Bekanntlich leidet China an Uebervölkerung, trotz der ungeheueren Ausdehnung seines Gebietes, das man dichterisch das Himmlische Reich, das Reich der Mitte oder das Land der Blumen genannt hat.
    Man schätzt die Zahl der Bewohner auf mehr als 300 Millionen, das heißt fast den vierten Theil der Bevölkerung der Erde überhaupt. So wenig nun der ärmere Chinese auch ißt, so ißt er doch immer, und trotz der unzähligen Reisplantagen und der endlosen Hirse-und Kornfelder vermag ihn China nicht hinreichend zu ernähren. Daher stammt der Ueberfluß, der nun durch die Breschen zu entweichen sacht, welche englische und französische Kanonen in die materiellen und moralischen Mauern des Himmlischen Reiches geschossen haben.
    Eben dieser Ueberfluß fließt nach Nordamerika, vorzüglich nach Californien hin ab. Es geschieht das aber mit solcher Heftigkeit, daß der Congreß sich gegenüber dieser Ueberschwemmung, die man wegwerfender Weise als »gelbe Pest« bezeichnete, zu beschränkenden Maßregeln entschließen mußte. Man gelangte nämlich zu der Ueberzeugung, daß fünfzig Millionen nach den Vereinigten Staaten ausgewanderte Chinesen ihr Vaterland nicht merklich schwächen konnten, während sich damit die Absorption der angelsächsischen Race zu Gunsten der mongolischen vollzogen haben würde.
    Jedenfalls nahm die Auswanderung große Dimensionen an. Die von einer Handvoll Reis, einer Tasse Thee und einer Pfeife Tabak lebenden Kulis, welche sich in jede Thätigkeit fanden, wußten sich am Salzsee, in Oregon und vorzüglich in Californien, wo sie die Arbeitslöhne bedeutend herabdrückten, sehr bald Geltung zu verschaffen.
    Es bildeten sich Gesellschaften zum Zwecke der Beförderung jener so wenig kostspieligen Emigranten. Fünf solche arbeiteten in fünf Provinzen des Himmlischen Reiches mit der Anwerbung derselben, eine sechste hatte ihren Sitz in San-Francisco. Die ersteren beförderten die Waare, die letztere nahm sie in Empfang. Eine weitere Agentur, die des »Ting-Tong«, schaffte sie wieder zurück.
    Letzteres verlangt eine Erklärung.
    Die Chinesen sind wohl bereit, ihr Vaterland zu verlassen und bei den »Melikauern«, so nennen sie die Bewohner der Vereinigten Staaten, ihr Glück zu versuchen, doch nur unter der einen Bedingung, daß ihre Leichen getreulich zurückbefördert werden, um in heimischer Erde eine Ruhestätte zu finden. Das ist eine der Hauptbedingungen ihrer Contracte, eine
conditio sine qua non
, zu welcher sich die Gesellschaften den Auswanderern gegenüber verpflichten müssen und der sie sich unter keinerlei Vorwand zu entziehen im Stande sind.
    Die Ting-Tong, früher die Todten-Agentur genannt, verfügt über ihre besonderen Fonds, und ihr fällt die Aufgabe zu, die Leichenschiffe zu heuern und zu befrachten, welche mit voller Ladung nach Shang-Hong-Kong oder Tien-Tsin zurücksegeln. Dieses Geschäft bildet wiederum einen Handelszweig und eine neue Quelle von Einnahmen.
    Dem scharf blickenden und unternehmenden Tchung-Heu entging das natürlich nicht. Bei seinem 1866 eingetretenen Tode war er Vorsteher der Gesellschaft Kuang-Than, in der Provinz gleichen Namens, und Vicevorsitzender der Gesellschaft der Leichencasse in San-Francisco.
    Damals erbte der nun vater-und mutterlose Kin-Fo ein Vermögen von über drei Viertelmillionen Dollars, angelegt in Actien der Californischen Centralbank, welche er sich sorgsam zu bewahren suchte.
    Als er seinen Vater verlor, hätte der junge Erbe allein gestanden, wenn nicht Wang, der von ihm unzertrennliche Wang gewesen wäre, der ihm als Lehrer und Freund treu blieb.
    Wer war denn dieser Wang eigentlich? Seit siebzehn Jahren schon wohnte er in dem Yamen von Shang-Haï. Er war der stete Genosse des Vaters gewesen, wie später der des Sohnes. Und woher kam er? Welche Vergangenheit lag hinter ihm? Das waren ebenso viele Fragen als Räthsel, über welche nur Tchung-Heu und Kin-Fo hätten Auskunft geben können.
    Wenn sie das gewollt – was übrigens sehr unwahrscheinlich war – so hätte man Folgendes gehört:
    Es weiß Jedermann, daß China vor allen anderen das Reich ist, wo Revolutionen gleich viele Jahre lang fortdauern und
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