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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns
Autoren: Polina Daschkowa
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Leute. Aber wenn da irgendwas
     faul war …«
    »Serjoshenka, ich habe keinen Anschlag auf die Ehre der Uniform vor und behaupte nicht, daß deine wackeren Kollegen gepfuscht
     haben. Aber hör dir alles der Reihe nach an. Erstens – den ganzen Tag und die ganze Nacht war bei ihm das Telefon kaputt.
     Dann stellte sich heraus, daß die Verbindung funktionierte, aber der Apparat beschädigt war. Der Nachbar hat ihn in fünf Minuten
     repariert und gesagt, irgendein Kontakt sei unterbrochen gewesen. Drei Jahre war er in Ordnung, und ausgerechnet in dieser
     Nacht war er unterbrochen.«
    Lena erzählte in allen Einzelheiten, was sie heute von Olga gehört hatte.
     
    »Lenotschka, ich versteh dich ja«, sagte Sergej sanft, nachdem sie fertig war. »Olga ist deine gute Freundin, ihr geht es
     jetzt sehr schlecht, und du leidest mit ihr. Aber glaub mir, in fünf von zehn Fällen kommt ein Selbstmord völlig überraschend,
     besonders für die Verwandten. Vielleicht hat er selber auch an der Nadel gehangen, wie seine Frau, ohne daß irgend jemand
     davon wußte, oder er hat aus Kummer getrunken.«
    »Nein, er selber war nicht süchtig, so viel ist sicher. Katja hat er sehr geliebt, geradezu vergöttert hat er sie. Sie warenein wunderbares Paar, fünf Jahre lebten sie zusammen. Kinder konnten sie allerdings nicht bekommen, Katjas Gesundheit war
     nicht in Ordnung. Da fing es dann an mit den Drogen … Er hat mit aller Kraft um sie gekämpft. Seine Eltern wußten nichts davon,
     nur Olga. Sie hat Katja ins Krankenhaus gebracht, aber ohne Erfolg. Mitja hat nicht aufgegeben, ständig hat er irgendwelche
     Drogenexperten, Hypnotiseure, Psychotherapeuten aufgetrieben. Verstehst du, er war ein sehr aktiver Mensch, er war einfach
     nicht bereit, aufzugeben. Und sich umbringen – das heißt, sich geschlagen geben, kapitulieren. Nein, wegen Katjas Drogensucht
     hätte er sich nicht erhängt. Und einen anderen Grund gab es nicht.«
    »Lieber Himmel, Lena, woher weißt du, aus welchem Grund sich Leute aufhängen? Manchmal hat ein Mensch alles im Leben verloren,
     hat sogar sich selbst verloren. Ein von allen verachteter Sträfling, der nicht einmal das Recht hat, den Türgriff anzufassen,
     den man täglich mit Füßen tritt und in alle Körperöffnungen vögelt, den man zwingt, Spucke aufzulecken – der lebt und klammert
     sich mit allen Kräften ans Leben. Ein anderer hat alles, was man sich wünschen kann, eine wunderbare Familie, Arbeit, Freunde,
     Anerkennung, Reichtum. Und der legt urplötzlich Hand an sich. Du weißt doch selber, die höchste Selbstmordrate haben die Länder
     mit dem höchsten Lebensstandard: Schweden, Dänemark, die Niederlande. Aber dort, wo es Hunger, Kriege und wirkliche Not gibt,
     bringen die Menschen sich selten um. Die satten römischen Patrizier schnitten sich mit Wonne die Venen auf, und bei uns in
     Rußland war Selbstmord zu Beginn unseres Jahrhunderts geradezu eine Modeerscheinung. Es galt als schön und erhaben, sich eine
     Kugel in den Kopf zu schießen. Glaubst du denn, das waren alles Idioten und Verrückte?«
    Lena schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Obwohl – es liegt eine gewisse Pathologie darin. Und Mitjahatte nichts Pathologisches. Er war ein gesunder junger Mann. Und außerdem sehr begabt und bei allen beliebt.«
    »Na schön«, sagte Sergej, »angenommen, er hat es nicht selber getan. Angenommen, jemand hatte tatsächlich ein Motiv. Aber
     überleg doch selbst, heute erschießt man sogar Bankdirektoren, Politiker und andere Mächtige dieser Erde bedenkenlos auf offener
     Straße oder vor ihrem Haus. Wer ist da schon Mitja Sinizyn? Wer hat Lust, sich eine solche Inszenierung auszudenken? Wozu
     solch ausgeklügelte Tricks? Weißt du, was ein Killer kostet? Und außerdem hätte man dann auch seine Frau beseitigt. Was sollen
     die mit einer Zeugin?«
    »Vielleicht hat man sie ja gerade deshalb nicht umgebracht? Vielleicht hat der Mörder eben das beabsichtigt? Denn er muß sehr
     klug sein, um alles so geschickt einzufädeln. Wenn sie unter Drogen stand, dann sah und hörte sie nichts. Nein, ich verstehe
     schon, du hast recht. Das ist eine Sackgasse. Mit dem Kopf verstehe ich es, aber endgültig glauben kann ich es nicht. Irgend
     etwas stimmt hier nicht.«
    »Lena, wenn ein gesunder junger Kerl sich umbringt, dann stimmt immer etwas nicht. Das ist grundsätzlich nicht normal. Aber
     verstehst du, ein Suizid ist kein Anlaß für Kriminalphantasien. Olga kann ja, wenn
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