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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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zusammenhängen, daß es so etwas wie ein Wahrtraum war, aus der Vergangenheit hervorgeholt und nur für mich persönlich bestimmt.
    Wie immer blieb ich vor der Tür stehen. Sie war aus Holz gefertigt, hing schief in den Angeln und hatte nicht einmal eine Klinke, sondern nur einen eisernen Griff. Damit schob ich die Tür auf.
    Da der obere Querbalken ziemlich tief lag, mußte ich den Kopf einziehen, als ich das Haus betrat.
    Wie in den Nächten zuvor begrüßte mich der altbekannte Geruch. Es war jedoch kälter, als hätten sich die Geister der Toten im Haus versammelt.
    Ich gelangte nicht erst in einen Flur, sondern stand sofort im Raum und schloß die Tür schnell wieder, damit der Wind das Licht der vier Kerzen nicht ausblies. Der eiserne Kerzenhalter stand auf einem kleinen Tisch.
    Ich sah eine Holzbank, eine Feuerstelle, Stühle, einen Schrank und stand selbst auf dem harten Boden, der weder von einem Teppich noch von irgendwelchen Steinen bedeckt wurde. Man hatte die Erde kurzerhand geplättet.
    Ich tat nichts.
    Stehenbleiben, warten, dem Kerzenschein vertrauen, der mir nicht einmal warm vorkam, sondern einen Eishauch zu verströmen schien.
    Aus den vorherigen Träumen wußte ich, was geschehen würde. Ich würde die seltsame Stimme hören, die mich aus dem Zimmer in einen anderen Raum lockte, und ich würde ihr folgen.
    Noch war ich allein.
    Das Licht malte Schatten auf Wände und Boden. Der kalte Hauch nahm zu, er umfing mich wie ein Netz, das sich auch auf mein Gesicht niederlegte.
    »John Sinclair…«
    Da war die Stimme. So weit entfernt und doch so nah. Anders als eine menschliche. Geisterhaft, flüsternd, gleichzeitig aber auch bestimmend und irgendwie quälend, als hätte sich der Rufer mit einem gewaltigen Problem herumzuschlagen. Ich drehte mich um.
    Es war wieder wie in den vergangenen Nächten. Nichts hatte sich verändert. Ich konnte das Zimmer verlassen, ohne daß mich jemand aufhielt. Die Tür zum anderen Zimmer sah ich erst, als ich davorstand.
    Sie befand sich neben dem Kamin und lag im Schatten. Ich wußte auch, was mich dahinter erwartete, stieß die Tür auf und fing an zu blinzeln, weil mich die zahlreichen Kerzenflammen doch etwas blendeten. Alle zusammen gaben sie schon eine starke Helligkeit ab, an die ich mich erst noch gewöhnen mußte.
    Der Raum war kleiner als der, aus dem ich gekommen war. Aber er war dafür höher. Das mußte er zwangsläufig sein, sonst hätte nicht der Gegenstand in ihn hineingepaßt, der einfach alles andere überschattete.
    Nur auf ihn konzentrierte ich mich.
    Es war die Uhr!
    Eine Standuhr aus dunklem Holz, die mit einer normalen nicht zu vergleichen war. Ich sah sie als außergewöhnlich an, als ein wahres Meisterwerk der Uhrmacherkunst. Sie bestand aus einem normalen Unterteil, das ziemlich kompakt wirkte, auch sehr mächtig sein mußte und unten breiter war als oben. So hatte es die nötige Standfestigkeit bekommen.
    Gleichzeitig wirkte das Unterteil der Uhr wie abgeschnitten oder wie nicht vollendet. Da paßten die Proportionen nicht mehr, und genau das war wichtig, weil zu einer Uhr eben ein Zifferblatt gehört, und dieses hier war überdimensional groß. In seinem Umfang mit der Höhe des Unterteils zu vergleichen. Ein riesiger Kreis mit römischen Zahlen und nur einem Zeiger versehen, was darauf schließen ließ, daß die Uhr sehr alt war, denn vor einigen Hundert Jahren gab es viele Uhren dieser Art. Der Zeiger wies haargenau auf die Zwölf. Er war ein besonderer Zeiger. Bis zum Rand der Uhr war er noch normal. Dann aber teilte er sich in zwei Spitzen, die wie lange Lanzen wirkten und auch als gefährliche Waffen eingestuft werden konnten. Der Raum zwischen den beiden Zeigerspitzen nahm nicht einmal eine Handbreite ein, doch das alles war es nicht, was mich so erschreckte. Mir ging es um die Farbe des Zeigers, die durch das helle Licht der Kerzen deutlich hervortrat.
    In der oberen Hälfte schimmerte sie in einem glänzenden Rot. Eine Farbe, die durchaus als Blut hätte angesehen werden können. Für mich hatte der Zeiger die Uhr zu einem regelrechten Mordinstrument gemacht.
    Obwohl ich sie bereits zum viertenmal in meinen Träumen erlebte, packte mich der Schauer erneut. Er rieselte wie eine Menge kalter Glasperlen über meinen Rücken. Ich wußte, daß mir die fremde Stimme die Chance gab, mich an den Anblick zu gewöhnen. Sie würde sich noch früh genug melden, und so war es auch jetzt.
    Das Licht der Kerzen begann zu flackern, bevor die ersten
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