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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Ich wartete auf ihn, fühlte mich dabei aufgekratzt und kam mir vor, als würde ich mich dagegen stemmen, obwohl ich doch wollte, daß ich einschlief.
    Ein paarmal schaute ich auf die Uhr.
    Der neue Tag war bereits über zwanzig Minuten alt. Ich hatte nie nachvollziehen können, wann die Träume kamen.
    Ob kurz nach Mitternacht oder erst in den frühen Morgenstunden, jedenfalls hoffte ich, daß ich in den folgenden Stunden Klarheit bekam.
    Auch draußen war es ruhig geworden. Ich wohnte am Stadtrand von Soho, und irgendwann, besonders in den langen Spätherbsttagen, schliefen auch hier die Geräusche ein.
    Irgendwann sackte ich weg, fiel in ein tiefes Loch. Ich hatte dabei das Gefühl, als hätten mich unsichtbare Hände hineingezerrt. Das Loch war bodenlos, und ich schwamm einfach weg.
    Nichts war mehr zu spüren.
    Um mich herum versank die Welt, mein Bewußtsein verabschiedete sich.
    Im gleichen Maße wurde das Unterbewußtsein aktiviert. Plötzlich war die Realität der Welt für mich nicht mehr wichtig. Ich schlief tief und fest, bekam selbst nichts mit, wartete aber auf die Träume.
    Der Schacht hielt mich fest. Nichts war da. Dunkelheit, tief und schlammig. Ich kam mit mir selbst nicht mehr zurecht. Ich spürte mich nicht, denn ich war nicht mehr John Sinclair. Ich war zu einem anderen geworden. Jetzt war ich eine Person, die ihre Träume absolut realistisch erlebte.
    Wer war ich? Warum konnte ich mich gegen die Kräfte nicht wehren?
    Ich ging durch meinen eigenen Traum als eine fremde Person, die ebenso fühlte wie ich. Ich wanderte durch die Dunkelheit, die nur sehr langsam vor mir zurückwich, damit sich ein Bild formen konnte. Ich sah mich in einem fremden, düsteren Ort, wobei ich nicht erkennen konnte, ob ich in einem Dorf oder einer Stadt stand. Jedenfalls befand sich unter meinen Füßen ein holpriges Pflaster. Ich mußte darauf achten, nicht zu stürzen.
    Alles war anders geworden. Wenn ich den Kopf drehte, schaute ich gegen die düsteren Fassaden buckliger und schiefer Häuser.
    Lichter brannten keine. Über mir breitete sich ein düsterer Himmel aus, bedrückend wie immer, und ich wußte plötzlich, daß mein Traum schon längst begonnen hatte, denn dieser Anfang war mir nicht neu. Ich kannte ihn, ich hatte mich darauf eingestellt und war zudem gespannt auf seine Fortsetzung.
    Nur gelang es mir nicht, den Traum selbst zu steuern. Das mußte ich anderen Kräften und Mächten überlassen, die mich durch die Düsternis begleiteten.
    Eine Straße, die sich in Kurven durch den kleinen Ort wand und sehr eng war.
    Eine tiefe Stille, deren Anwesenheit mir einen Schauer über den Rücken rieseln ließ.
    Und dann das Licht.
    Ich sah es rechts von mir. Es flackerte. Wahrscheinlich war es das Licht einer oder mehrerer Kerzen. Ich blieb stehen und drehte den Kopf. Vor mir öffnete sich eine schmale Gasse, aus der es roch, weil dort irgendwelcher Abfall vermoderte. Ich mußte sie betreten, ob ich wollte oder nicht, denn sie war der einzige Weg, um so schnell wie nur möglich in die Nähe des Lichts zu gelangen.
    Es lockte mich…
    Ich ging hin.
    Schon dreimal war ich in meinen Träumen diesen Weg gegangen. Nur aber kam ich mir vor, als würde ich ihn zum erstenmal beschreiten, weil ich ahnte, daß ich so etwas wie eine wichtige Entdeckung machen würde. Ich wußte sogar, daß dort, wo das Licht war, jemand auf mich wartete, und ich wollte schneller gehen, was ich nicht schaffte, denn dieser Traum wurde von anderen Gesetzen diktiert.
    Ich bewegte mich in einer gleichmäßigen Geschwindigkeit und ging durch einen zähen Nebel, weil ich immer das Gefühl hatte, es wären unsichtbare Arme da, die mich festhalten wollten.
    Als ich das Ende der Gasse erreichte, konnte ich direkt auf das Haus mit dem Licht schauen.
    Es war ein ebenso kleines Gebäude wie die übrigen Häuser auch. Nur eben das Licht hinter den kleinen Fenstern unterschied es von den anderen.
    Es drang auch durch die Vierecke und zeichnete helle Inseln auf den Boden vor dem Haus.
    Wie in den drei Traumnächten zuvor ging ich den Weg direkt auf das Haus zu. Nichts in der Umgebung rührte sich. Die Stille lag schwer wie Blei über allem. Manchmal glaubte ich sogar zu schweben, einfach wegzufliegen und diesen Traum zu verlassen.
    Es war seltsam. Ich erlebte ihn sehr intensiv, obwohl es mir manchmal vorkam, ein anderer Mensch zu sein. In dieser Nacht war eben alles anders, selbst die Träume. Es mochte damit
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