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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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Spitzen schauten aus meiner Jacke hervor. Durch mein Gewicht war er nach unten gerissen worden und stand praktisch auf halb eins.
    Dann sah ich Chronos.
    Die weißgraue Gestalt schwebte herbei und schaffte es, die Botschaft loszuwerden.
    ›Nicht Hector de Valois, sondern du wirst sie vernichten. Ich danke dir, ich habe meinen Frieden gefunden…‹ Vor meinen Augen löste sich die schwebende Gestalt auf. Sie war eingegangen ins Reich der Toten. Für immer.
    Mein Problem aber blieb. Ich blickte nach unten.
    Suko hatte den Kampf gegen die Hexe gewonnen. Sie lag wie ein dicker Klumpen am Boden und hatte ihre Schönheit vollends verloren. Sie war vernichtet. Das war mir noch zu wenig. Ich wollte, daß auch die Uhr zerstört wurde.
    Aber wie?
    Mein Kreuz – die Formel – Gut gegen Böse!
    Mit lauter Stimme rief ich: »Terra pestem teneto – salus hic maneto!«
    Ich hatte die Worte noch nicht ganz ausgesprochen, als der Horror begann.
    Die Uhr spielte plötzlich verrückt.
    Eine mächtige Kraft löste sich plötzlich, eine Kraft, die stärker war als ich.
    Es riß auch mich in die Höhe, als sich der Zeiger wild drehte. Es wurden Energien frei, die ich nicht kontrollieren konnte. Ich schaffte es auch nicht, mich dagegenzustellen. Ich wurde hochgezerrt, wieder nach unten gestoßen, abermals in die Höhe gerissen, bevor das Spiel wieder von vorn begann.
    Und aus der Uhr löste sich das Böse.
    Ich spürte den immensen Druck einer mächtigen Gestalt und sah plötzlich das kalte Gesicht Luzifers.
    Es war ein Antlitz, das ich nie in meinem Leben vergessen werde. So kalt, so menschenverachtend, blaß und trotzdem farbig, von einem eisigen Blau unterlegt. Ein Gesicht, das eigentlich keines war, denn es lebte nicht.
    Es war nur brutal!
    Ich hörte das Reißen in meiner Nähe. So knackte Holz, und das Gesicht war auf einmal weg.
    Diesmal erwischten mich die mechanischen Kräfte.
    Der Zeiger konnte sich nicht mehr am Zifferblatt halten. Er riß ab. Nicht sofort, in mehreren Intervallen, damit ich mich schon auf den Fall einstellen konnte. Ich spürte das Rucken am Arm, und der verfluchte Zeiger drehte sich dabei immer weiter.
    Wann würde er endlich brechen?
    Er brach nicht, die Uhr fiel auseinander, und ich raste in die finstere Tiefe. In den letzten Sekunden hatte ich von der eigentlichen Umgebung nichts mehr sehen können und hatte auch nicht mehr an die Plattform gedacht.
    Auf sie raste ich zu.
    Der Aufprall war hart. Er raubte mir fast die Luft. Ich spürte die helfenden Hände, die mich abstützten. Mein Freund Suko war mir entgegengelaufen, und ich hatte mich sogar – aus welchen Gründen auch immer – von diesem verdammten Zeiger gelöst. Dabei hatte er seine Richtung geändert und war mit beiden Spitzen in Lizzy Lamottes Überreste hineingerast.
    ***
    Suko hatte mir auf die Beine geholfen und mich auch beim Verlassen der Plattform unterstützt.
    Von unten her schaute ich noch einmal zurück. Es war schon seltsam, aber das Licht der Kerzen hatte den Horror überstanden. Sie brannten noch, und ihr Schein strahlte auch nach oben. Nur traf er diesmal kein Ziel mehr, es sei denn, man sah die Decke als neues Ziel an, über das Schatten huschten.
    Die Leichenuhr gab es nicht mehr!
    Ich nickte. »Wir haben es gepackt, Suko.« Dann lachte ich. »Verdammt noch mal, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Sie hat zum Schluß verrückt gespielt und ihre dämonische Kraft ausgespien. Luzifers kleines Erbstück wird kein Menschenleben mehr kosten, darauf kannst du dich verlassen.«
    »Ja, dein Kreuz!«
    Ich hob die Schultern. »Nicht nur das«, sagte ich. »Stell du dein Licht nicht unter den Scheffel. Wenn du nicht die Hexe vernichtet hättest, wäre ich durch die eigene Waffe getötet worden.«
    Die Worte machten Suko verlegen. »Ach so, ja, Waffe«, sagte er und reichte mir die Beretta. »Ich habe sie für dich aufgehoben.«
    »Danke.«
    »Hör auf.«
    Wir verließen das Kuriositätenkabinett. Auf dem Weg ins Freie berichtete Suko mir, was ihm widerfahren war. Ich war nicht überrascht, daß auch Tonio Baresi mit der Hexe zusammengearbeitet hatte. Beide hatten versucht, die Zeit und auch die Menschen zu beherrschen, doch zum Glück läßt der Liebe Gott die Bäume nicht in den Himmel wachsen.
    Einer mußte ja den Menschen ihre Grenzen aufzeigen.
    Als wir endlich nach draußen traten, schien die Sonne. Ich hatte den Eindruck, als würde sie mir zulächeln und mich in einem neuen Leben willkommen heißen…
    ENDE
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