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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Autoren: Robin Hobb
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würde nie wieder sein wie zuvor, kein Platz mehr für mich in der Welt, deren Teil ich gewesen war. Burrich hatte gesagt, Mitleid sei ein kläglicher Ersatz für Liebe. Ich wollte kein Mitleid, von keinem Menschen.
    »Burrich?«
    Er beugte sich tiefer zu mir hinab. »Es war nicht so schlimm«, log er. »Ruh dich jetzt aus. Morgen…«
    »Morgen wirst du nach Bocksburg aufbrechen«, unterbrach ich ihn.
    Er runzelte die Stirn. »Erhole dich ein paar Tage, dann werden wir…«
    »Nein.« Ich stemmte mich hoch, bis ich aufrecht saß, und sprach die nächsten Worte mit allem Nachdruck, den ich aufzubringen vermochte. »Ich habe eine Entscheidung getroffen. Morgen machst du dich auf den Rückweg nach Bocksburg. Es gibt Menschen und Tiere, die dort auf dich warten. Du wirst gebraucht. Es ist dein Zuhause, deine Welt. Aber ich gehöre nicht dorthin. Nicht mehr.«
    Er schwieg einen langen Moment. »Und was wirst du tun?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Das braucht dich nicht mehr kümmern. Dich nicht und auch sonst niemanden. Von nun an ist das allein meine Angelegenheit.«
    »Das Mädchen?«
    Wieder schüttelte ich den Kopf, entschieden. »Sie hat schon ihre Kindheit und Jugend an einen Hilflosen vergeudet, nur um festzustellen, daß er sie in Schulden zurückließ. Soll ich zu ihr gehen, so wie ich bin? Soll ich sie bitten, mich zu lieben, und ihr dann eine Bürde sein, wie ihr Vater es war? Nein. Allein oder als Frau eines anderen wird sie glücklicher sein.«
    Das Schweigen zwischen uns dehnte sich endlos. Jonqui war in einer Ecke des Zimmers damit beschäftigt, noch einen Kräutertrunk zuzubereiten, der mir nicht helfen würde. Burrich stand finster und dräuend wie eine Gewitterwolke neben meinem Bett. Ich ahnte, wie gerne er mich geschüttelt hätte, wie sehr es ihn in den Fingern juckte, mir mit ein paar Knüffen die Halsstarrigkeit auszutreiben. Doch er bezähmte sich. Burrich legte nicht Hand an einen Krüppel.
    »Gut«, meinte er schließlich. »Bliebe nur dein König. Oder hast du vergessen, daß du des Königs Gefolgsmann bist?«
    »Ich habe es nicht vergessen«, sagte ich schnell. »Und hielte ich mich selbst noch für einen Mann, ginge ich mit dir zurück. Aber ich bin keiner mehr, Burrich. Ich wäre eine Belastung. Auf dem Spielbrett bin ich eine der Figuren, die beschützt werden müssen. Eine wehrlose Geisel, unfähig, sich oder andere zu verteidigen. Nein. Der letzte Dienst, den ich meinem König erweisen kann, besteht darin, mich selbst aus dem Spiel zu nehmen, bevor jemand anders es tut und meinen König damit in Bedrängnis bringt.«
    Burrich wandte sich ab, eine schwarze Silhouette in dem halbdunklen Raum, der Ausdruck seines Gesichts im Feuerschein undeutbar. »Morgen sprechen wir uns«, setzte er an.
    »Nur, um ›Lebwohl‹ zu sagen«, fiel ich ihm ins Wort. »Mein Entschluß steht fest, Burrich.« Ich berührte den silbergefaßten blauen Stein in meinem Ohrläppchen.
    »Wenn du hierbleibst, bleibe ich auch.« Sein Tonfall verriet eine mühsam gebändigte Wildheit.
    »Die Bedeutung kann auch eine andere sein«, widersprach ich. »Einst hat mein Vater dir befohlen, zurückzubleiben und einen Bastard für ihn großzuziehen. Nun befehle ich dir fortzugehen, um einem König zu dienen, der deiner bedarf.«
    »›FitzChivalric, ich werde nicht…«
    »Bitte.« Ich weiß nicht, was er in meiner Stimme hörte, nur daß er plötzlich verstummte. »Ich bin so müde. So unendlich müde. Das einzige, was ich weiß, ist, daß ich nicht fähig bin zu tun, was man von mir erwartet. Ich kann es einfach nicht.« Meine Stimme klang brüchig wie die eines alten Mannes. »Was immer meine Pflicht wäre. Welche Schwüre ich auch geleistet habe. Es ist nicht genug von mir übrig, um mein Wort zu halten. Das mag nicht recht sein, aber ich kann es nicht ändern. Anderer Leute Pläne, anderer Leute Ziele. Niemals meine eigenen. Ich habe mich bemüht, aber…« Das Zimmer schwankte, als spräche ein anderer durch meinen Mund und ich wäre entsetzt über das, was er sagte. Doch die Wahrheit seiner Worte ließ sich nicht leugnen. »Ich möchte jetzt allein sein«, sagte ich einfach. »Um zu ruhen.«
    Beide schauten mich wortlos an. Sie verließen den Raum, langsam, als hofften sie, ich würde mich besinnen und sie zurückrufen. Ich tat es nicht.
    Doch nachdem sie fort waren und ich allein, gestattete ich mir auszuatmen. Die Ungeheuerlichkeit der Entscheidung, die ich getroffen hatte, machte mich benommen. Ich würde nicht nach
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