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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Autoren: Robin Hobb
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Gleichgewicht zu halten und die Einheit der Sechs Provinzen zu bewahren.
     
    Ich erwachte, weil jemand meine Stirn berührte. Mit einem verärgerten Knurren drehte ich den Kopf zur Seite. Meine Decken hielten mich gefangen, ich befreite mich und setzte mich auf, um zu sehen, wer es wagte, mich zu stören. König Listenreichs Narr hockte ängstlich auf einem Stuhl neben meinem Bett. Ich starrte ihn an, und er duckte sich unter meinem Blick. Unsicherheit ergriff von mir Besitz.
    Der Narr hätte in Bocksburg sein sollen, bei meinem König, viele Meilen und Tagesritte von diesem Ort entfernt. Ich hatte nie erlebt, daß er für länger als einige wenige Stunden von des Königs Seite wich oder zur Nachtruhe. Sein Hiersein bedeutete nichts Gutes. Der Narr war mein Freund, soweit seine Absonderlichkeit es ihm gestattete, jemandes Freund zu sein, doch ein Besuch von ihm verfolgte stets einen Zweck, und selten handelte es sich um eine Banalität oder etwas Angenehmes. Sein Gesicht wirkte müde über der rotgrünen Tracht, die ich an ihm noch nicht gesehen hatte, und er trug ein von einem Rattenkopf gekröntes Narrenzepter. Der bunte Habit stach grell von seiner bleichen Hautfarbe ab; er sah aus wie eine mit Stechpalmenzweigen umwundene durchscheinende Kerze. Die Kleider wirkten lebendiger als er. Sein spinnwebfeines helles Haar bauschte sich unter dem Rand der Kappe wie der Schopf eines Ertrunkenen im Wasser, in seinen Augen spiegelten sich die tanzenden Flammen des Kaminfeuers.
    »Hallo.« Ich strich mir das wirre, verschwitzte Haar aus dem Gesicht. »Es ist eine Überraschung, dich hier zu sehen.« Mein Mund war trocken, die Zunge dick und pelzig. Ich hatte mich übergeben, sagte mir eine verschwommene Erinnerung.
    »Wo sonst?« Er betrachtete mich sorgenvoll. »Für jede Stunde, die Ihr geschlafen habt, seht Ihr weniger erholt aus. Legt Euch nieder, Majestät, ich werde es Euch bequem machen.« Er zupfte umständlich an meinem Kissen, aber ich gebot ihm mit einem Wink, aufzuhören. Irgend etwas stimmte hier nicht. Nie zuvor hatte er auf diese Art mit mir gesprochen. Freunde mochten wir sein, aber seine Rede war immer so schwer verdaulich und sauer wie unreifes Obst. Falls er aus Mitleid diese plötzliche Freundlichkeit an den Tag legte, war mir seine frühere Art lieber gewesen.
    Ich betrachtete mein besticktes Nachtkleid, die kostbaren Bettdecken. Wieder hatte ich das Gefühl, daß etwas nicht stimmte, aber ich war zu müde und matt, um zu überlegen, was mich daran so befremdete. »Was tust du hier?« fragte ich ihn.
    Er atmete tief ein und seufzte. »Ich sorge für Euch. Wache über Euch, während Ihr ruht. Ich weiß, Ihr haltet es für närrisch, aber schließlich bin ich ein Narr. Also wißt Ihr, daß ich nicht anders kann, als närrisch zu sein. Dennoch stellt Ihr mir jedesmal, wenn Ihr erwacht, dieselbe Frage. So erlaubt mir denn, ein weiser Narr zu sein und Euch zu raten: Laßt mich nach einem anderen Heiler schicken.«
    Ich lehnte mich gegen die Kissen. Sie waren feucht vom Nachtschweiß und verströmten einen schalen Geruch nach Krankheit. Der Narr würde sie mir gegen frische tauschen, wenn ich ihn darum bat, doch wozu? Nicht lange, und das neue Bettzeug war ebenso klamm und dumpf wie das jetzige. Ich grub die knorrigen Finger in die Daunendecke und fragte ihn ohne Umschweife: »Weshalb bist du gekommen?«
    Er nahm meine Hand und streichelte sie. »Mein König, mir gefällt diese plötzliche Schwäche nicht, die Euch überkommen hat. Die Maßnahmen dieses Heilers scheinen euch nicht gut zu tun. Ich fürchte, sein Wissen ist weit geringer als die Meinung, die er davon hat.«
    »Burrich?« fragte ich ungläubig.
    »Burrich? Wäre er nur verfügbar, Majestät! Er mag Stallmeister sein, doch ich wette, er ist ein besserer Medikus als dieser Wallace, der Euch mit Pulvern und Schwitzkuren traktiert.«
    »Wallace? Burrich ist nicht hier?«
    Ein Schatten fiel über das Gesicht des Narren. »Nein, Majestät. Er blieb im Bergreich zurück, wie Ihr wißt.«
    »Majestät«, wiederholte ich und versuchte zu lachen. »Du machst dich lustig über mich.«
    »Nie und nimmer, Majestät«, antwortete er ernst. »Nie und nimmer.«
    Seine Sanftheit verwirrte mich. Dies war nicht der Narr, den ich kannte, voller Wortspiele und Rätsel, Doppeldeutigkeiten und raffinierter Seitenhiebe. Plötzlich fühlte ich mich merkwürdig angespannt. »Dann bin ich in Bocksburg?«
    Er nickte schwerfällig. »Selbstverständlich.« Ein Zug tiefer
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