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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
Autoren: Robin Hobb
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und Verzweiflung erwähnte ich nichts von Chade und meiner Ausbildung zum Meuchelmörder. Auch dafür war ich nicht mehr zu gebrauchen. Die Kunst, sich lautlos zu bewegen, die Taschenspielertricks, die vielfältigen Methoden des Tötens, das sorgfältige Mischen von Giften – mir versagt durch die erbärmliche Schwäche meines Körpers.
    Burrich hörte schweigend zu, bis ich fertig war. Als das Strohfeuer meines verzweifelten Ausbruchs erloschen war und ich nach Atem ringend die Hände ineinander verkrampfte, um ihr Zittern zu unterdrücken, ergriff er das Wort.
    »Nun gut. Soll das heißen, wir gehen nicht nach Bocksburg zurück?«
    Ich war schlagartig ernüchtert. »Wir?«
    »Mein Leben gehört dem Mann, der den Ohrring trägt. Dahinter steckt eine lange Geschichte, die ich dir vielleicht irgendwann einmal erzählen werde. Philia hatte kein Recht, ihn dir zu schenken; ich dachte, er wäre mit Prinz Chivalric begraben worden. Sie hielt ihn vielleicht nur für ein beliebiges Schmuckstück aus dem Besitz ihres Mannes, über das sie nach Belieben verfügen konnte. Wie auch immer, du trägst ihn jetzt. Wohin du gehst, ich folge dir.«
    Verwirrt hob ich die Hand zu dem Ohrschmuck. Es war ein kleiner blauer Stein in einem Netz aus Silberdraht. Ich machte Anstalten, ihn abzunehmen.
    »Tu das nicht«, sagte Burrich. Er sprach die Worte mit einer ruhigen, tiefen Stimme, aber der Tonfall enthielt sowohl eine Drohung als auch einen Befehl. Ich ließ die Hand sinken und verzichtete darauf, weiter in ihn zu dringen. Wie merkwürdig, daß der Mann, der seit meiner Kindheit über mich gewacht hatte, nun seine Zukunft in meine Hände legte. Und doch saß er da vor dem Kamin und wartete auf meine Entscheidung. Ich betrachtete, was ich von ihm im flackernden Feuerschein erkennen konnte. Früher war er für mich ein unwirscher Riese gewesen, düster und furchteinflößend, aber auch ein starker Beschützer. Jetzt, vielleicht zum erstenmal, sah ich ihn als Menschen, als Mann. Dunkles Haar und dunkle Augen waren das Merkmal derer mit Outislanderblut, darin ähnelten wir uns. Doch seine Augen waren braun, nicht schwarz, und wenn der Wind seine Wangen über dem krausen Bart rot färbte, verriet sich der hellhäutige Vorfahre irgendwo in seiner Ahnenreihe. Beim Gehen hinkte er, an kalten Tagen besonders stark – Andenken an einen blindwütigen Keiler, den er auf sich gelenkt hatte, um Chivalric zu retten. Er war auch nicht so groß, wie es mir als Kind erschienen war. Wenn ich so weiter in die Höhe schoß wie bisher, konnte ich damit rechnen, ihm bald über den Kopf zu wachsen. An Gestalt war er nicht so sehr vierschrötig und muskulös, sondern er vermittelte einen Eindruck gesammelter Kraft, Summe der wachen Bereitschaft von sowohl Körper als auch Geist. Nicht wegen seiner Größe hatte man ihn in Bocksburg gefürchtet und respektiert, sondern wegen seines hitzigen Jähzorns und seiner Zähigkeit. Einmal, ich war noch klein, fragte ich ihn, ob er je einen Kampf verloren hätte. Er hatte gerade einen eigensinnigen jungen Hengst zur Räson gebracht und stand bei ihm in der Box, um ihn zu beruhigen. Auf meine Frage grinste er mit raubtierhaft weißen Zähnen, Schweiß lief ihm von der Stirn und über die Wangen in den dunklen Bart. Er sprach mit mir über die Trennwand hinweg. »Einen Kampf verloren? Der Kampf ist nicht eher zu Ende, als bis du ihn gewonnen hast, Fitz. Nur daran mußt du denken. Ganz gleich, was der andere Mann glaubt. Oder das Pferd.«
    Mir kam der Gedanke, ob er mich als einen Kampf betrachtete, den er gewinnen mußte. Er hatte mir oft erzählt, ich sei der letzte Auftrag Chivalrics an ihn gewesen. Der Makel meiner Existenz war für meinen Vater Grund gewesen, auf den Thron zu verzichten, doch er hatte mich in die Obhut dieses Mannes gegeben und ihm befohlen, mich nach bestem Wissen und Gewissen aufzuziehen. Vielleicht glaubte Burrich, er habe diesen Auftrag noch nicht erfüllt.
    »Was meinst du, das ich tun sollte?« frage ich demütig. Beides, das Fragen und die Demut, kamen mich hart an.
    »Gesund werden«, sagte er nach einer Weile. »Dir Zeit nehmen, um gesund zu werden. Es läßt sich nicht erzwingen.« Er warf einen Blick auf seine zum Feuer hin ausgestreckten Beine, und etwas, das kein Lächeln war, verzog seinen Mund.
    »Bist du der Ansicht, wir sollten zurückgehen?« beharrte ich.
    Statt zu antworten, kreuzte er die Füße und starrte in die Flammen. Endlich sagte er, beinahe widerstrebend: »Tun wir es
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