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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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zurückhalten wollte, den Arm gebrochen – harte Maßnahmen erschienen also nicht allzu klug, solange er noch Handlungsmöglichkeiten gegeneinander abwog. Außerdem traute er Urtica nicht.
    »Mein Vorschlag ist folgender«, erklärte Rika und legte die Hände auf den Tisch.
    » Euer Vorschlag?«, erwiderte Brynd. »Ihr seid Gefangene des Kaiserreichs!«
    »Ihr kennt mich, Kommandeur, und wisst, Ihr könnt Euch auf mein Wort verlassen.« Rika berichtete, wie sie, Eir und Randur von Kaiserlichen Truppen gefangen genommen, aber von Artemisia befreit und nach Villiren gebracht worden waren.
    »Erzählt mir einfach Euren Vorschlag«, unterbrach Brynd sie, »und ich sage Euch, was ich davon halte.«
    »Ich will Villiren vom Reich trennen und möchte, dass das hiesige Militär mir Treue schwört. Wir müssen Villjamur erobern, doch dann kommt der schwierige Teil erst. Wir müssen uns mit den fremden Völkerschaften aus Artemisias Welt verbünden und erlauben, dass sie sich schrittweise wieder im Boreal-Archipel ansiedeln und mit Menschen und Rumeln leben. Nur wenn wir die Kultur, aus der Artemisia stammt, bei uns aufnehmen, verfügen wir über die Mittel, uns gegen weitere Angriffe zu behaupten. Oder wollt Ihr mir ernstlich versichern, dass wir – auf uns gestellt – überleben können?«
    Brynd ließ die Schrecken dieses Krieges im Geiste Revue passieren.
    »Das Tor, durch das die Cirrips – ihr nennt sie Okun – gekommen sind, ist funktionsunfähig dürfte aber bald repariert sein«, ergänzte Artemisia. »Wir haben also Zeit zu handeln – aber nicht lang.«
    »Wenn ich es recht verstehe«, mutmaßte Brynd, »ist also die Zusammenarbeit mit uns Eure einzige Hoffnung?«
    »Wir sind füreinander diese Hoffnung«, erwiderte Rika.
    »Wie gesagt«, so Artemisia, »lasst uns von nun an nach gewaltfreien Lösungen suchen. Friedliche Integration ist der einzige Weg.«
    Es war ein echtes Dilemma, aber hatte Brynd eine Wahl? »Wir können doch nicht einfach loslegen«, antwortete er schließlich. »Die Stadt ist ein Trümmerhaufen. Die Truppen sind aufgerieben. Wir müssen erst zu Kräften kommen. Und doch plant Ihr bereits, Villjamur zu erobern? Habt Ihr denn eine Vorstellung davon, wie gut die Stadt geschützt ist?«
    »Wenn wir erst offiziell Bundesgenossen sind«, gab Artemisia zurück, »bin ich in dieser Sache gern behilflich.«
    Als nichts mehr zu sagen war, ließen sie Brynd mit seinen Gedanken allein. Der Kommandeur trat ans Fenster und blickte auf die Stadt hinab. Im Norden war der Himmel blau-rot wie lange nicht mehr, und ein warmer Wind strich – wie zur Bekräftigung des eben Erfahrenen – durch Villiren. Der Rauch von Scheiterhaufen kam aus fernen Vierteln geweht, und die Seevögel waren zurück und suchten Essbares. Hier werdet ihr nicht viel finden .
    Brynd verließ die Obsidianrote Kammer und kehrte in sein Zimmer zurück. Dort war wegen Nelums Mordversuch noch alles durcheinander, doch das Blut immerhin war weggewischt. Erschöpft ließ er sich aufs Bett fallen, atmete tief durch und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Vermutlich hatte er keine Wahl. Was Rika vorgeschlagen hatte, ergab durchaus Sinn, auch wenn es ihm intuitiv falsch erschien, das Reich, dem er sein Leben lang gedient hatte, zu zerreißen. Doch dies waren andere Zeiten, und die Inseln sahen sich Veränderungen gegenüber – egal, ob ihnen das gefiel. Wenn er nutzbringenden Einfluss auf den Boreal-Archipel hätte, dann wenn er bei dessen sozialem Umbau mithalf. Allerdings besaß er keine Vorstellung davon, wie sich die Integration fremdartiger Kulturen entwickeln würde. Doch nach der erbitterten Schlacht um Villiren hatte er den Eindruck, es nun mit allem aufnehmen zu können.
    Kulturen gestalten , dachte Brynd und schloss endlich die Augen. So muss es sich anfühlen, ein Gott zu sein .

KAPITEL 55
    S timmen waren das Erste, was in die verlassenen Straßen zurückkehrte. Gespräche, immer mehr Gespräche allerorten. Die Leute redeten darüber, was geschehen war und was nun zu tun sei, wohin der und der sich aufgemacht und ob jemand den Gatten, den Sohn, die Tochter gesehen habe. Die Bewohner kamen in die Stadt zurück und stellten fest, dass ihre Häuser nicht mehr standen und ganze Straßen, ja Viertel verschwunden waren.
    Marysa schritt vorsichtig durch die trümmerübersäten Straßen. Kultisten hatten mit dem Aufräumen begonnen, und überall liefen bewaffnete Uniformierte herum. Ab und an gab es ein fremdartiges Brüllen, wenn ein im
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