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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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beseitigen würden. Bisweilen trat ein Bote ein, um ihn auf den neuesten Stand zu bringen. Dann beugte Brynd sich vor und vernahm den Bericht mit starr zu Boden gerichtetem Blick. Die wenigen überlebenden Garudas gingen entlang der Küste noch immer auf Erkundungsflug, doch vorerst schien Villiren sich behauptet zu haben. Da kam Brug in die Kammer und flüsterte ihm zu, Haal sei im Lazarett verblutet.
    »Wann hört das endlich auf?«, seufzte Brynd.
    Mit ausdrucksloser Miene verließ Brug die Kammer, und der Kommandeur blieb erneut allein.
    Eine Böe kam durchs Fenster und wirbelte Landkarten und Aufmarschpläne durcheinander. Sollten die Unterlagen ruhig zu Boden segeln. Die brauch ich nicht mehr . Die Stadt würde neue Straßen bekommen, und dann müssten neue Pläne gefertigt werden. Lutto war seit Tagen verschwunden – womöglich war der feige Bürgermeister schon vor einiger Zeit aus der Stadt geflohen. Brynd würde also den Wiederaufbau leiten.
    Noch immer standen ihm schreckliche Bilder vor Augen: abgetrennte Gliedmaßen, Blutlachen, die Flut fremdartiger, ihre Toten beschreiender Wesen … Er hatte von Soldaten gehört, die Anfälle erlitten, wenn ihnen die Bilder des Schreckens durch den Kopf spukten. Erwachsene Männer, die in Tränen ausbrachen. In den Militärhandbüchern stand nichts darüber, wie man die Soldaten in diesem Fall führen sollte.
    Schlafmangel verlangsamte seine Reaktionen, und deshalb brauchte er etwas Zeit, um die Ankunft von Jamur Rika – der früheren Kaiserin – zu bemerken. Die riesige Gestalt neben ihr überragte ihn gewaltig, doch sollte ihm hier sein Schicksal begegnen, war er zu erschöpft, es herauszufordern. Die entrüsteten Soldatenschreie hinter den beiden bestätigten, dass sie sich mit Gewalt Einlass verschafft hatten.
    Brynd ließ im Geiste alle Muskeln zum Appell antreten und setzte sich auf. Mehr als Rika interessierte ihn die wuchtige, seltsam wirkende Fremde. Wer ist das? Erneut betrachtete er Rika. »Solltet Ihr nicht tot sein?«
    »Solltet Ihr das nicht auch – nach all den Kämpfen?«, erwiderte sie.
    »Vermutlich. Womit kann ich Euch dienen?« Er schaute von der Exkaiserin zu der Erscheinung neben ihr und sah dabei einen schlanken jungen Mann mit lächerlicher Frisur eintreten. Begleitet wurde er von Rikas jüngerer Schwester, die seit der letzten Begegnung erheblich herber geworden war. Sie lächelte Brynd an, und er murmelte einen Gruß.
    »Und wer ist das?« Er wies mit dem Kopf auf die seltsame Gestalt. Sie maß deutlich über zwei Meter und trug eine Brynd unbekannte Uniform, die eher verschraubt als vernäht schien. Und ihre beiden Schwerter waren offenbar beste Handwerksarbeit.
    »Ich bin Artemisia«, erwiderte die riesige Gestalt.
    Was dann kam, schockierte ihn.
    Endlich begriff er die Zusammenhänge – oder erhielt zumindest Informationen, die allerlei erklärten.
    Artemisia berichtete, sie gehöre zu den Dawnir, obwohl sie Jurro nicht ähnele. Sie behauptete kühn, der Göttergattung anzugehören, und gab Brynd einen Überblick über Jahrtausende der Geschichte. Wann hatte der Kommandeur sich zuletzt so unwissend gefühlt?
    Randur und Eir hatten ein Zimmer gefunden. Es war nichts Besonderes, aber wenigstens stand ein Bett darin. Sie legten sich Seite an Seite nieder. Er stand noch ganz unter dem Eindruck des an diesem Tag Gesehenen. Die Welt war ein dunkler Ort, doch er hatte ein Leben zu führen und wollte Eir von all dem Bösen fernhalten.
    »Es ist noch nicht vorbei, oder?«, flüsterte er.
    Sie rührte sich, und ihre Finger strichen ihm übers Kinn. »Ich wollte bei meiner Schwester bleiben.«
    »Willst du das noch immer?« Er zögerte. »Schließlich hat sie sich vollkommen geändert.«
    Doch Eir war schon eingeschlafen, und das verübelte Randur ihr nicht.
    Noch später, als sie mit Rikas Gefolge und diesem weiblichen Gottwesen am Tisch saßen, vermochte Brynd sich endlich zu sammeln. Als Kommandeur der Truppen musste er eine Aufgabe erfüllen und seine Leute befehligen. Ob er den Kaiserlichen Gesetzen folgte oder nicht: Er sah sich als jemanden, der Geschichte schrieb. Das Gewicht der von ihm zu treffenden Entscheidungen belastete ihn, und der Krieg hatte seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt, doch nun … nun war es Zeit zum Wiederaufbau.
    Den ihm vorliegenden Befehlen zufolge hätte er Rika verhaften müssen, doch angesichts der Umstände schien das nicht weiter wichtig. Außerdem hatte Artemisia dem letzten Wächter, der sie
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