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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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die Ranken des großen Metallkegels und richtete ihn auf den nächsten Trümmerberg. Als sie das Gerät einschaltete, ertönte ein Summen, und dann verwandelte ein Energieblitz das ganze Mauerwerk in Staub. Bellis unterstützte Beami mit einem seltsamen gabelartigen Werkzeug, das sich ausdehnte und mit dem sich größere Trümmer beiseitewuchten ließen.
    Derweil hatten sich ringsum Bürgerwehrler versammelt, und als sie begriffen, was die Frauen taten, boten sie ihnen sogar Hilfe an. Woher, wusste Beami nicht, doch rasch tauchten wundersam weitere Werkzeuge auf: Seile, Spaten, einfache Flaschenzüge und sogar ein Eimer Meeresleuchten, mit dem sich in den dunkleren Spalten suchen ließ. Die Laune besserte sich: Diese Leute wollten ihre fähigsten Soldaten retten – als Wiedergutmachung dafür, dass die Nachtgardisten in ihre Stadt gekommen waren, um sie zu verteidigen.
    Eine Stunde verging. Dann noch eine.
    Schließlich betrat Beami als Erste den nun freigelegten Bau. Überall stieß sie auf zerschmetterte Tote und seufzte stets erleichtert, wenn es sich nicht um jemanden in der vertrauten schwarzen Uniform handelte.
    Alle machten Pause, nur Beami nicht. So erschöpft sie auch war: Ihr Körper schien keine Schmerzen mehr zu spüren. Der Schnee kam und ging, und ein beißender Wind blies ihr Staub in die Augen, doch sie wischte ihn bloß weg und suchte weiter. Das beschämte die anderen, und sie arbeiteten darum fast ebenso hart.
    Es wurde Abend, und Bellis zog Beami am Ärmel. »Meine Liebe, Ihr müsst Euch etwas ausruhen.«
    »Noch ist es hell genug, und für später haben wir das Meeresleuchten. Kehrt doch zur Zitadelle um, wenn Ihr mögt.«
    Sie setzte die Arbeit fort, bis es nahezu stockdunkel war, kletterte dorthin, wo eine Innenmauer aus den Trümmern ragte, pulverisierte den Schutt, ging weiter, pulverisierte, ging wieder weiter …
    Ein Stöhnen? War das ein Stöhnen?
    »Hierher«, rief Beami klopfenden Herzens, kletterte dorthin, woher das Geräusch gekommen war, räumte mit bloßen Händen Trümmer weg und setzte ihr Relikt erneut ein.
    Da – ein Schild der Nachtgarde!
    »Hallo!«, rief sie. »Hört ihr mich? Seid ihr schwer verletzt?« Andere stießen zu ihr. Alle waren sehr aufgeregt.
    »Eine Stimme antwortete klar und deutlich auf Jamur: »Einige ja, denke ich … einige.«
    Die Stimme war ihr unbekannt – es war sicher nicht die von Lupus – , doch ein Adrenalinstoß durchfuhr sie. Mit den anderen wuchtete sie große Mauerstücke beiseite und setzte dann Meeresleuchten ein. Sie arbeiteten zu zehnt, schweigsam und unter nächtlichen Bedingungen. Die Freischärler schafften Tragen herbei.
    »Ihr da unten – schließt alle die Augen!«, sagte Beami und setzte ihr Relikt erneut zum Pulverisieren ein.
    Nun war das Loch groß genug. Sie kletterte zu den Eingeschlossenen hinein und sah sich sofort nach Lupus um, konnte ihn aber nicht entdecken.
    Beami nahm einen Schild und gab ihn dem Rumel draußen am Loch. »Meeresleuchten!«, befahl sie und bekam den Eimer angereicht. Sie kippte ihn aus, und die funkelnden Geschöpfe verbreiteten ihr unheimliches Licht.
    »Jemand muss mir helfen, den Mann hochzuschaffen!«
    Ein massiger Rumel stieg zu ihr ab und hob den Soldaten an. Gemeinsam zogen sie ihn vorsichtig an den Armen aus dem Schutt. Als Beami ihn langsam aufwärts dirigierte, zuckte sie angesichts seines Beinstumpfs zusammen: Gegen so einen Unfall hatte auch die magische Stärkung seiner Kräfte nichts ausrichten können.
    Die Nachtgardisten wurden nacheinander geborgen. Viele Gesichter waren blutig, doch gebrochene Arme und offene Wunden begannen bereits zu heilen. Einem hatte ein Pfeil das Auge durchbohrt, und dann waren da auch eine Frau und ein Toter, doch es war nicht Lupus. Auch der Albino wurde gefunden, doch von Beamis Liebstem fehlte jede Spur.
    Da! Er lag auf dem Rücken, und sein Schild bedeckte den Kopf halb. Ein Bein war blutig, das Gesicht staubgeschwärzt. Sie kauerte neben ihm und vergewisserte sich, dass er ansonsten gesund war.
    »Hast du mich also aufgespart bis zuletzt«, krächzte er schwach.
    Beami schluchzte erleichtert und legte den Kopf auf seine Brust. Er wollte mehr sagen, vermochte es aber nicht.
    Beamis Erschöpfung war unversehens dem Gefühl gewichen, noch weitermachen zu können. Fast drei Stunden ging sie neben Lupus’ Trage, als der Nachtgardist auf leidlich sicherem Weg zur Zitadelle geschafft wurde – eine anstrengende Strecke durch stockfinstere Nacht.
    Kommandeur
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