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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)
Autoren: Mark Charan Newton
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Pflaster glitzerte und die Straßen zu rosten schienen. Er trat aus dem schützenden Hauseingang in den recht hellen Morgen hinaus. Er musste in den Ratsturm, um mit der Tagesarbeit zu beginnen.
    Ob sich darin sein schlechtes Gewissen bekundete? Jedenfalls hatte er das sichere Gefühl, beobachtet zu werden. Er ließ sich nie von Leibwächtern begleiten, im Gegenteil: Er verzog sich meist schon, ehe so eine Eskorte nur auftauchte.
    An diesem Tag lag eine Menge Arbeit vor ihm. Vor allem musste er sich um die stets zunehmenden Flüchtlingsprobleme kümmern: um die Arbeiter von anderswo, die in Scharen nach Villjamur kamen, um die nahende Eiszeit zu überstehen.
    Die Leute waren zu verschiedenen Basaren unterwegs, um Handel zu treiben und einzukaufen, und zwar unter Aufsicht von Soldaten des Infanterieregiments, die zu zweit durch die Straßen patrouillierten. Diese effektive Sicherheitspolitik hatte er selbst in die Wege geleitet, um die Sorgen der Bürger in diesen angespannten Zeiten zu lindern. Man wollte schließlich vermeiden, dass sich Panik verbreitete, zumal die Leute sich ohnehin bedrohter fühlten, als dies laut Verbrechensstatistik angebracht gewesen wäre.
    Er stieg kurvenreiche Straßen und Gänge hinauf.
    Dabei begegnete er einem älteren Mann auf einem Hocker, der ein Schild neben sich stehen hatte: »Schreiber – Verschwiegenheit garantiert«. Eine Hand flach auf den kleinen Tisch neben sich gelegt, nippte er mit zufriedener Miene an einem dampfenden Getränk. Es gab einige von diesen Männern in der Stadt. Sie verfassten Liebesbriefe oder Todesdrohungen für die, die nicht schreiben konnten (und dazu gehörten auch diejenigen, denen die Inquisition die Finger gebrochen hatte). Ghuda überlegte, was er Tuya schreiben würde, der Rothaarigen, mit der er die Nacht verbracht hatte. Was würde er ihr sagen? Dass er sie gern weitervögeln würde, weil sie so gut darin war? Das war kaum die Grundlage, um eine Beziehung zu beginnen.
    Die Steigung ließ Ghudas Beine schmerzen, und er ruhte sich ein Weilchen auf einem Holzstapel aus, der vor einem Reihenhaus aufgehäuft war. Wieder hatte er das unbehagliche Gefühl, beobachtet zu werden, und musterte die stillen Straßen, dann die Brücken über ihm. Vielleicht sah von dort jemand auf ihn herunter.
    Er stand auf, um den Anstieg fortzusetzen, und hörte hinter sich jemanden davonlaufen.
    Eine Abkürzung führte ihn auf einen Basar in einem gepflasterten Hof. In einem hohen, schmalen und anscheinend endlosen Durchgang begann sein Herz schneller zu schlagen.
    Er beschleunigte seine Schritte …
    … kam auf den geschäftigen Basar gestürzt …
    … und hatte das Gefühl, seine Brust sei explodiert und seine Innereien würden aufs Plaster klatschen. Doch so war es nicht, er war noch ganz, er lebte noch, starrte aber mit offenem Mund auf die sich ausbreitende Wunde und auf die zerfetzte Robe, die sein Fleisch der kalten, feuchten Luft aussetzte.
    Grausamer Schmerz durchfuhr ihn. Er schrie und wollte sich umblicken, sah durch seine aufschießenden Tränen aber nur einen merkwürdig ins Dunkel zurückweichenden Umriss. Er torkelte vorwärts, klammerte sich an die nassen Steine und begann Blut zu spucken. Ringsum sammelten sich Leute, sahen ihn mit großen Augen an und zeigten mit dem Finger auf ihn. Da die Blutkäfer spürten, dass sein Lebenssaft die Ritzen des Pflasters tränkte, kamen sie angekrabbelt und stürzten sich auf ihn, bis seine Schreie zwischen den hohen Wänden des Hofs widerhallten. Ein Käfer huschte ihm sogar in den Mund und kratzte ihm eifrig an Gaumen und Zunge. Er biss zu, um nicht zu ersticken, knackte den Panzer des Tiers in zwei Teile und spie es aus, konnte aber seine Sekrete schmecken.
    Ratsherr Ghuda wurde von fiebrigen Krämpfen geschüttelt.
    Mit knurrendem Magen und einer kleinen Pastete stand Randur vor einem Bistro und sah den Schwankenden herantaumeln. Viele stoben in nackter Angst davon. Männer legten schützend den Arm um ihre Frau, während glänzende Käfer sich in Massen auf die klaffende Wunde des Opfers stürzten.
    Randur trat in einen schmalen Durchgang neben der Galerie und war zu verblüfft, um seine Pastete anzubeißen. Ein kleines Kind schrie und wandte sich zur Flucht, während der Sterbende Blut hustend und mit entgeistert geweiteten Augen in den Durchgang gestolpert kam. Er sah Randur direkt an, fiel nur wenige Schritte von ihm entfernt auf die Knie und heulte weiter, während die Käfer ihm das Fleisch aufrissen und es
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