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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende
Autoren: Johanna Marthens
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dir keine falschen Hoffnungen machst.«
    »Was ist das für ein Weg?«
    Er wand sich, doch dann sagte er es: »Wenn es unter denen, die den Dämon wecken, einen gibt, der die Zukunft sieht, kann dieser den Dämon schwächen, indem er ihm die Zukunft nimmt. Dann lebt er nur noch hier und jetzt und geht danach ein.«
    »Aber ich kann die Zukunft sehen! Ich war dabei! Wir können es tun, es geht doch!« Ich war völlig aus dem Häuschen. »Wie nehmen wir ihm die Zukunft?«
    »Das ist der Haken an der Sache. Derjenige muss sterben. Nur so kann auch die Zukunft des Dämons sterben.«
    Ich verstummte. Deshalb wollte er es mir nicht sagen. Verständlich. Ich schluckte. Sollte das wirklich das Ende meines jungen Lebens sein? Ich hatte noch nichts von der Welt gesehen, nicht viel erlebt – außer in den vergangenen Tagen – und keine großartigen Dinge geleistet. Auf der anderen Seite würde ich auch keine Möglichkeit mehr haben, dies zu erleben, wenn der Dämon seine volle Macht entfalten und von Bismarck seine Armee auf uns loslassen würde. Die Luft um uns herum war noch kühler geworden. Die Krähen rückten immer näher. In der Ferne glaubte ich ein Dröhnen wie von Tausenden Soldatenstiefeln zu hören. Kam die Armee der Finsternis bereits nach Mullendorf? Mein Tod war unsere einzige Chance. Wenn ich nicht wollte, dass ganz Mullendorf und danach die ganze Welt unterjocht wurden, musste ich den einzig möglichen Weg beschreiten.
    »Ich tue es!«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Das lasse ich nicht zu. Du wirst dich nicht opfern, lieber kämpfe ich mit allen Waffen, die ich besitze, gegen das Ungeheuer.«
    »Du hast keine Waffen, und selbst wenn du welche hättest, würde das nichts bringen. Er ist auf diese Weise nicht besiegbar. Das hast du selbst gesagt.«
    Er nickte. »Trotzdem. Ich kann es nicht zulassen.«
    »Doch, Papa. Es muss sein. Denn ich kann nicht zulassen, dass wegen mir Isabelle, Mama und alle anderen sterben. Das musst du doch verstehen.«
    Er sah mich mit großen Augen an. »Es tut mir leid, dass ich all die Jahre nicht hier war. Ich habe nicht nur als Vater versagt, sondern auch noch verpasst, zu erleben, was für eine großartige Tochter ich in die Welt gesetzt habe.«
    Ich lächelte. »Vielleicht habe ich einfach gute Gene.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das müssen die deiner Mutter sein. Ich bin ein Feigling. Ich habe euch alleingelassen, weil ich mit meiner Gabe und der Vaterschaft und allem nicht klargekommen bin. Und ich habe dich verraten, als der Fürst dich aus der Ferne manipuliert hat.«
    »Was hat er getan?«
    »Er wollte wissen, was du treibst und deine Macht schwächen, daher musste ich einige Dinge von dir stehlen, deine Haarbürste, das Fotoalbum, die Zahnbürste. Damit hat er ein paar Zauber ausgeübt. Du hättest sonst viel mehr Visionen, klarer und deutlicher. Ich denke, daher kommen auch deine Erinnerungslücken. Es tut mir leid.«
    Ich starrte ihn an und konnte nicht fassen, was er mir da gerade erzählt hatte. Das war übel, was er mir angetan hatte, aber nun nicht mehr zu ändern.
    »Du kannst es wieder gutmachen, indem du mich umbringst«, sagte ich.
    Jetzt war er an der Reihe, mich entsetzt anzusehen, doch dann nickte er.
    »Wenn du es wirklich willst, werde ich es tun.«
    »Dann kannst du das Unrecht ungeschehen machen und die Welt von dem Monster befreien, dem du zuerst geholfen hast.«
    Er nickte wieder. »Ich tue es.«
    Wir vereinbarten einen Ort und eine Zeit für das Ritual, dann gingen wir zurück den anderen.
     
    Es wurde eine kurze Besprechung, bei der Viviane noch einmal betonte, welche Maßnahmen sie ergreifen würde, um den Fürsten in seine Schranken zu weisen, doch ich war nicht mehr bei der Sache. Ich betrachtete einen nach dem anderen, als würde ich ihn zum ersten Mal sehen. Meine Mutter, deren Augen auf einmal wieder glänzten, weil der Alkohol sie nicht mehr trübte, und weil die Erinnerung an eine verlorene Liebe in ihr lebendig wurde. Viviane, die erst so viel verlieren musste und nun durch diese unheimliche Kraft, die von ihr Besitz ergriffen hatte, aufgeblüht war. Pfarrer Bernhard, der bedrückt und entschlossen zugleich die Fäuste ballte, als wolle er ein erlittenes Ungemach rächen. Robert, der mich liebevoll und sorgenvoll musterte und mir ein Lächeln schenkte, für das es zu sterben lohnte. Und Leif, der ernst zuhörte und hin und wieder sinnvolle Bedenken in die Diskussion warf, so dass ich das Gefühl hatte, er würde sich um sein Dorf
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