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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende
Autoren: Johanna Marthens
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ich.
    Er runzelte jetzt die Stirn. »Du erinnerst dich wirklich nicht?«
    »Woran?«
    »An den Brief.«
    »Welchen Brief?«
    Er schüttelte den Kopf. »Egal. Ich habe die Sache im Griff. Viel Erfolg. Wir müssen den Dämon im Zaum halten, ich kann ihn schon spüren, das heißt, der Bär kann ihn spüren. Die Tiere im Wald sind auch schon ganz unruhig. Wie vor einem Erdbeben. Sie merken genau, dass etwas passieren wird.«
    Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von ihm und ging mit meinem Vater zum Tor hinaus. Ich wollte gerade vorschlagen, das Buch wieder in der Bibliothek abzugeben, doch mein Vater ließ mich nicht zu Wort kommen.
    »Passiert dir das öfter, dass dich Leute auf Sachen ansprechen, an die du dich nicht erinnern kannst?«
    Ich wollte den Kopf schütteln und vehement verneinen, doch dann fiel mir Kaspar ein. Ich hatte völlig vergessen, dass ich einen Hund hatte. Auch ertappte ich mich hin und wieder dabei, mich an manches nur noch dunkel oder ganz vage erinnern zu können, als würden die Bilder im Nebel verschwimmen.
    »In letzter Zeit geschieht es manchmal, dass ich etwas vergesse. Warum fragst du?«
    Er sah mich sorgenvoll an. »Es kann noch schlimmer werden. Das hängt mit deiner Gabe zusammen und dem, was Philipp gemacht hat.«
    Ich wollte ihm zuhören, aber ich konnte nicht. Seine Stimme verschwand in einem unheimlichen Dröhnen, das meinen Kopf erfüllte. Und auf einmal sah ich ihn wieder. Der Fürst stand vor mir, lachte mich aus und begann, die Luft mit seiner Hand zu dirigieren. Laub wirbelte auf und riss Menschen mit. Die Schreie von Frauen, Kindern und Männern erfüllten die Mullendorfer Luft. Blut tränkte seine Erde, als ein Heer von seelenlosen Kreaturen seine Straßen bevölkerten und alles abschlachteten, was ihnen im Wege stand. Auch mein Blut floss, als mir jemand die Adern öffnete und mein Herz bei lebendigem Leib aus meiner Brust riss. Ich wehrte mich und schrie und schrie, bis mich mein Vater dermaßen rüttelte und schüttelte, dass ich wieder im Hier und Jetzt ankam. Zitternd lag ich in seinen Armen, während er über mein Haar strich.
    Ich hatte das Ende gesehen, und ich hatte keine Ahnung, wie ich es aufhalten konnte.
     

Das Ende
     
    Mein Ende begann, als er zurück nach Mullendorf kam. Er sah nicht mehr aus wie vorher, das konnte er auch nicht, weil wir seinen alten Körper im Garten vergraben hatten. Er sah auch nicht mehr aus wie ein Mensch, sondern wie ein Ziegenbock auf Beinen. Er hatte Hörner, die sich wie Muscheln kringelten. Er besaß auch keine normalen Beine mehr, sondern Hinterläufe eines Tieres mit Hufen. Seine Hände waren behaart, seine Finger gingen in spitze Krallen über. Aber am unheimlichsten waren seine Augen. Sie leuchteten rot und glühten im Nebel, der ihn umhüllte. Seine Stimme dröhnte, als er mit mir sprach. »Du hast gedacht, du kannst mich besiegen, aber du hast keine Ahnung, Menschlein. Wer im Banne des Dämons stirbt, kommt als Dämon zurück. Du hast mir den größten Gefallen getan, als du mich getötet hast. Deshalb werde ich dich bis zum Schluss aufheben.« Er lachte so dröhnend laut, dass die Luft vibrierte und der Schall sich an den Häuserwänden brach und tausendfach verstärkt wurde.
    Ich war gerade auf dem Weg in die Tankstelle, als er mir wie aus dem Nichts plötzlich entgegenkam.
    Er ließ mich nicht weitergehen, sondern trieb mich vor sich her, bis ich wieder in Mullendorf war.
    »Die kleine Moona denkt, sie hat die Macht, nur weil sie Geschehnisse vorhersieht. Hast du dich nicht gefragt, wieso du das kannst? Weil ich es so will!«
    Ich wollte erwidern, dass ich es geerbt hatte, aber er schien meine Gedanken lesen zu können.
    »Nein, das Erbe allein ist es nicht. Du hättest es erst nach dem Tod deines Vaters erhalten, aber wie du siehst, ist der noch putzmunter. Ich habe ein paar Dinge getan, Geister geweckt, Zauber gesprochen,  damit du die Gabe früher bekommst, damit ihr mir beide zur Verfügung steht. Das Vampirblut hatte es glücklicherweise noch ein wenig beschleunigt und mir damit in die Hände gespielt. Jetzt gehört ihr beide mir. Zwei Seher sind immer mächtiger als einer.«
    Ich schluckte. Dann war es doch nicht der Unfall oder Roberts Blut alleine gewesen, was es ausgelöst hatte. Es war ein Zauber eines widerlichen Wiedergängers, den ich durch meine Dummheit zu einem noch mächtigeren Dämon gemacht hatte.
    »Ja, das war deine Dummheit, meine Kleine«, lachte er dröhnend. Offenbar konnte er wirklich meine
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