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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende
Autoren: Johanna Marthens
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war damals schon sehr krank. Nur wenig später starb er und da kamen auf einmal die Visionen und Träume. Es überträgt sich immer auf das älteste Kind, habe ich inzwischen herausgefunden. Ich wusste also, dass du diese Gabe auch haben würdest.«
    »Bei mir kam es wohl mit einem Unfall, den ich neulich hatte.«
    Er sah mich mit einem durchdringenden Blick an. »Es ist ein Segen und ein Fluch«, sagte er. »In den richtigen Kreisen kannst du viel erreichen, aber wenn der Falsche dich benutzt, kann deine Fähigkeit viel Schaden anrichten.«
    »Wie bei dir?«
    »Wie bei mir. Es tut mir leid, Moona, dass ich dir das angetan habe.«
    Ich winkte ab. »Ist nicht so schlimm. Langsam habe ich mich dran gewöhnt, obwohl ich manchmal wünschte, wieder ganz normal zu sein.«
    Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, tat es dann aber doch nicht. Stattdessen strich er mit seiner Hand über mein Haar und versuchte ein Lächeln. »Du wirst nie wieder normal sein, und du wirst merken, dass noch sehr viel mehr dazugehört, aber ich werde jetzt für dich da sein, wenn du möchtest.«
    Ich nickte und lächelte ebenfalls. »Das wäre schön.«
    Er nahm seine Hand zurück. »Gut, dann sollten wir uns zuerst einmal schlaumachen, was es mit dem Dämon genau auf sich hat.«
    Wieder im Haus schlugen wir zuerst das Buch aus dem Mullendorfer Stadtarchiv auf, das Viviane für das Ritual mit meiner Mutter mitgebracht hatte und das noch im Gästezimmer lag. Dort stand jedoch nur das, was mir Pfarrer Bernhard erzählt und was ich schon gelesen hatte, als ich das erste Mal hineinsah. Wir sahen weiter hinten nach, ob vielleicht der Zauber für die Bannung des Dämons beschrieben worden war, aber den hatten die Chronisten leider unterschlagen. Oder sie waren nicht dabei gewesen. Daher blätterten wir wieder nach vorn und begannen, ganz am Anfang des Buches zu lesen. Das war extrem mühsam, weil wir uns durch eine veraltete Sprache und verblichene Schrift kämpfen mussten. Irgendwann gaben wir auf, weil wir einfach zu wenig von dem verstanden, was wir entzifferten. Und wir beschlossen, Pfarrer Bernhard einen Besuch abzustatten, der sich mit dem alten Buch offenbar bestens auskannte.
    Es war zehn Uhr morgens, als wir bei ihm eintrafen. Er hatte Besuch. Ein älterer Herr in einem edlen grauen Anzug und sauber geputzten Schuhen saß in seinem Büro. Pfarrer Bernhard war nicht sonderlich begeistert, als er mich eintreten sah. Ich schob es darauf, dass er mit dem Gast nicht gestört werden wollte. Doch erstaunlicherweise ließ er ihn sofort sitzen, als ich ihm sagte, dass ich ihn sprechen müsste. Er entschuldigte sich bei dem älteren Herrn mit den fein geschnittenen grauen Haaren und manikürten Fingernägeln und eilte zu mir.
    »Du hast ihn nicht gesehen«, raunte er mir zu, als wir draußen im Garten standen.
    »Wen?«, fragte ich ahnungslos.
    »Den Mann.«
    »Warum nicht?«
    »Er ist … er ist ...« Als er meinen fragenden Blick sah, winkte er erleichtert ab. »Du bist wirklich gut. Danke.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach.
    »Wofür auch immer, gern geschehen.«
    Mein Vater war draußen geblieben und stand neben dem Tor. Er trat einen Schritt näher, als ich ihm zunickte.
    »Es geht um den Dämon. Was wissen Sie noch von ihm?«
    Pfarrer Bernhard kratzte sich am Kinn. »Nur das, was ich dir schon erzählt habe. Mehr weiß ich nicht.«
    Ich reichte ihm das Buch mit den unleserlichen Seiten. Er nahm es und begann, uns etwas daraus vorzulesen, aber es hatte überhaupt nichts mit dem Dämon zu tun. Es ging um Steuern an den Grafen und ein teuflisches Mullendorfer Weib, das angeblich jemandem eine schwere Krankheit gewünscht hatte und deshalb aus dem Dorf verbannt worden war. Auch ein paar Seiten später kam nichts für uns Interessantes. Das ungezogene Kind des Grafen hatte ein paar Lämmer mit dem Pfeil getötet, ein Bauer starb an einer Tierseuche. So ging es Seite um Seite. Es existierte tatsächlich nur die eine bekannte Stelle, die auf den Dämon verwies.
    »Tut mir leid«, sagte Pfarrer Bernhard schließlich und gab mir das Buch zurück.
    Ich nickte resigniert. »Dann müssen wir wohl abwarten, was passieren wird.« Ich reichte ihm zum Dank die Hand. »Dann gehen Sie zurück zu Ihrem Besucher. Entschuldigen Sie, dass ich gestört habe.«
    »Er ist kein willkommener Gast«, erwiderte er. »Aber ich werde die Sache irgendwie aus der Welt bekommen.«
    Er sah mich an, als müsste ich wissen, was er meinte. »Welche Sache?«, fragte
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